Jüdische Ärzte und Ärztinnen

Station 8: Städtische Krankenanstalten

Kartenausschnitt Gotenstr. 1

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Hier sind wir an der ärztlichen Wirkungsstätte von Dr. Eduard Schott seit 1927. Im Dezember 1933 entzog die Stadt ihm die Geschäftsführung, zum Ende des Jahres 1935 wurde er zwangspensioniert. Schon zuvor hatte er erhebliche Pressionen zu erleiden: Am 6. April 1935 prangte an der Frontseite des Krankenhauses, gleich neben dem Eingang, ein Plakat, auf dem „in großer blutroter Schrift“ zu lesen war: „Jud Schott heraus“.

Den gleichen Spruch hatten die unbekannten Täter an der Gartenmauer von Schotts Dienstwohnung, Gotenstraße 16, angebracht. Der Verwaltungsdirektor des Krankenhauses, Friedrich Bernhard Winterhof, ließ das Plakat empört entfernen und berichtete an den Oberbürgermeister. Doch in der Stadtverwaltung rührte sich kein Finger für den Krankenhausarzt. Ein Verwaltungsbeamter vermerkte: „Es ist nichts zu veranlassen“. Eduard Schott reagierte auf die persönliche Herabwürdigung und Zwangspensionierung mit einer Mischung von Unverständnis, Fassungslosigkeit und Empörung. Er protestierte in einer Eingabe vom 21. Oktober 1935 an die Verwaltung: „Niemals habe ich anders gefühlt wie deutsch, und ich werde es bis an mein Lebensende tun. 1 ½ Jahre war ich Soldat.“ Er bemühte sich sogar in einem Gesuch an den „Führer und Reichskanzler“ darum, eine Ausnahmegenehmigung zu erwirken, um seine Arbeit im Krankenhaus fortsetzen zu können.

Foto Städtische Krankenanstalten, ca. 1935. Quelle: Stadtarchiv Solingen
Städtische Krankenanstalten, ca. 1935. Quelle: Stadtarchiv Solingen

Auch in der Solinger Bürgerschaft regte sich Protest. Bekannte der Familie versuchten den Innenminister Frick zu mobilisieren. Die Unternehmer Otto Jagenberg, Wilhelm Schürhoff und Walter Osberghaus richteten an den Oberbürgermeister Dr. Otto, der selbst Arzt war, folgende Anfrage: „Wir möchten Sie davon in Kenntnis setzen, daß eine Eingabe aus der Bürgerschaft in Sachen des Herrn Prof. Schott in Vorbereitung ist. Dürfen wir Sie bitten, uns wissen zu lassen, ob wir diese Eingabe unmittelbar an den Führer und Reichskanzler richten sollen, damit sie Ihnen auf dem Dienstwege zugeht, oder ob wir sie Ihnen persönlich zur Weiterleitung nach Berlin übergeben dürfen.“ Ergänzt war der Vermerk: „Persönliche Rücksprache erwünscht“. Bürgermeister Brückmann wies das Anliegen schroff zurück: Er werde die „angekündigte Eingabe weder unterstützen noch in Empfang nehmen. Eine persönliche Besprechung in dieser Angelegenheit halte ich für überflüssig und bitte davon abzusehen“.

Nach der Auswanderung in die USA fiel es Professor Schott schwer, dort beruflich Fuß zu fassen. Er musste sein ärztliches Examen nachholen, um in einem kleinen Ort nahe Boston seine Praxis eröffnen zu können. Im Mai 1940 kam seine älteste Tochter ebenfalls in die USA, der Rest der Familie musste in Weimar bleiben. 1942 ließ Ilse Schott sich scheiden, vermutlich um das Schicksal des in Deutschland verbliebenen Teils der Familie zu erleichtern. 1943/44 mussten die beiden Söhne und die Tochter die Schule verlassen und in der Wirtschaft arbeiten. Nach dem Untergang des „Dritten Reiches“ erfuhr der in Deutschland verbliebene Teil der Familie, dass Eduard Schott 1944 einen Schlaganfall erlitten hatte.

Deshalb lehnte der 70-jährige, gesundheitlich angeschlagene Arzt das Angebot der Stadt Solingen ab, die Leitung des Krankenhauses wieder zu übernehmen.

Foto Eduard Schott 1949 in USA. Quelle: Stadtarchiv Solingen, RS 10124
Eduard Schott 1949 in USA. Quelle: Stadtarchiv Solingen, RS 10124

1946/47 konnte der größte Teil der Familie zwecks Familienzusammenführung in die USA übersiedeln, 1951 auch der ältere Sohn mit seiner Familie. Am 6. Juli 1952 starb Schott nach einem erneuten Schlaganfall. Am 10. November 2017 wurde schließlich in Anwesenheit von drei Enkeln eine Gedenktafel im Solinger Klinikum enthüllt. 2018 wurde am Birkenweiher 43 auf Initiative der Solinger Regionalgruppe der IPPNW (Internationale Ärzte zur Verhütung des Atomkriegs) ein Stolperstein für Eduard Schott verlegt.

Einweihung der Gedenktafel im Solinger Klinikum. Quelle: Peter Schott