Jüdische Ärzte und Ärztinnen

Station 2: Prof. Dr. Eduard Schott

Kartenausschnitt Birkenweiher 43

Birkenweiher 43 – Zur KarteZum Tourstart

Eduard Schott, Jahrgang 1886, ist in Worms aufgewachsen. Während seines Medizinstudiums beeindruckte ihn ein bekannter Kommilitone tief, Albert Schweitzer, unter dessen Einfluss er von der jüdischen Gemeinde zur evangelischen Kirche konvertierte. 1911 erhielt er seine Approbation, 1914-1918 arbeitete er als Oberarzt im Lazarett an der West- und Ostfront; dazu bemerkte er in seinem Lebenslauf knapp: „Erfahrungen in Kriegsseuchen, zeitweise chirurgische Tätigkeit“. 1917 heiratete er die ebenfalls im Lazarett arbeitende nichtjüdische Johanniterschwester Ilse Gumprecht.

Vor dem Ersten Weltkrieg lehrte er an der Kölner Akademie für Praktische Medizin. 1919 wurde er Dozent an der neu gegründeten Universität Köln, die ihn 1921 zum außerordentlichen Professor ernannte. Am 1. Oktober 1927 übernahm Eduard Schott die Stelle als Chefarzt der Inneren Abteilung und leitender Arzt an den Städtischen Krankenanstalten in Solingen. Über die folgenden Jahre gibt es Näheres an der Station „Klinikum“. Hier, am Birkenweiher 43, soll nur auf den Tiefpunkt der Entwicklung 1938 eingegangen werden.

Historische Postkarte Birkenweiher, rechts Haus Nr. 43. Quelle: Stadtarchiv Solingen, PK 1175
Historische Ansicht Birkenweiher, rechts Haus Nr. 43. Quelle: Stadtarchiv Solingen, PK 1175

Nachdem die 4. Verordnung zum Reichsbürgergesetz die Bestallung jüdischer Ärzte zum 30. September 1938 für erloschen erklärt hatte, sodass Dr. Schott seine Privatpraxis verlor, wurde während des Novemberpogroms 1938 seine Wohnung zerstört und er selbst vorübergehend in Schutzhaft genommen. Sein Sohn Francis hat in der New York Times 1988 beschrieben, wie er als 12-Jähriger die Pogromnacht erlebt hatte:

„Ein gellendes Geräusch rüttelt uns mitten in der Nacht auf. Glas und Holz unserer Wohnungstür zersplittern. Meine kleine Schwester und ich sitzen aufrecht in unseren Betten, fassungslos. Der Krach wird noch lauter, Gegenstände zerbrechen, barsche Männerstimmen sind zu hören. Meine Mutter schlüpft vom Schlafzimmer nebenan in unser Zimmer und stellt sich in die Füllung unserer geschlossenen Tür. Schwere Schritte eilen vom Wohnzimmer im vorderen Teil der Wohnung zum Esszimmer am anderen Ende. Die Geräusche der Zerstörung verstärken sich, als Porzellan und Kristall in den Korridor geworfen werden.
Plötzlich wird es mir klar. Die Nazis sind gekommen, uns zu holen. Sie zerschlagen unsere Sachen. Meine Mutter versucht, uns zu schützen. Auf unerklärliche Weise ergreift mich die kalte Angst, nicht um mein eigenes Leben, sondern um das meiner Mutter. Die Nazis werden sie umbringen. Ich ducke mich.
Dann sind sie fort. … Das italienische Cello meines Vaters besteht nur noch aus Splittern, der Bechstein-Flügel ist irreparabel zertrümmert. Die Aquarelle von Emil Nolde und Zeichnungen von Paul Klee liegen zertreten auf dem Boden. …
Es kommt noch schlimmer, viel schlimmer. Aber in der Kristallnacht hat ein 12-jähriger eine Lektion verinnerlicht. Die geordnete Welt, in der nur die Polizei dich holen kann und die nur dann kommt, wenn du ein Verbrecher bist – diese Welt gibt es nicht mehr.“

Erinnerung von Francis Schott in der New York Times, November 1988

Professor Schott wurde im Polizeigefängnis Potsdamer Straße inhaftiert, aber entlassen, um die Emigration vorzubereiten. Schon im Mai 1939 gelang ihm die Emigration in die USA, während seine Frau mit den vier Kindern zu ihren Eltern nach Weimar zog.