Jüdische Ärzte und Ärztinnen

Station 5: Dr. Paul Berkenau

Kartenausschnitt Südwall 36 (Dreieck)

Dreieck (Südwall 36) Zur KarteZum Tourstart

Der evangelische Nervenarzt Dr. Paul Berkenau entstammte der jüdischen Familie Benjamin in Hannover. 1911 nahm der 21-Jährige den Namen Berkenau an. Als er Ende 1927 nach Solingen kam, richtete er seine erste Praxis an der Weststraße, heute Klemens-Horn-Str. 25, ein. Berkenaus und ihre direkten Nachbarn, das Ärzteehepaar Rüppel, freundeten sich an. Schon 1929 zog Paul Berkenau mit seiner 12 Jahre jüngeren Frau Erika geb. Scharfenberg und den 1924 und 1927 geborenen Kindern Günther und Susanne an den Südwall 36 (heute etwa am Dreieck Graf-Wilhelm-Platz). Günther engagierte sich später im CVJM. Laut Änne Wagner gehörte neben ihr selbst auch der Kulturkritiker Max Leven, der unter Rückenmarkschwindsucht litt, zu Dr. Berkenaus Patienten.

Den Auftakt zur Emigration der Familie Berkenau machte der Sohn Günther. Dr. Berkenau meldete ihn wegen persönlicher Anfeindungen bereits 1937 vom Gymnasium ab und ermöglichte ihm den Besuch eines Internats in England, wo er zunächst aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Als die Eltern Berkenau sich am 29. September 1938 nach Köln abmeldeten, ließen sie ihre 11-jährige Tochter Susanne übergangsweise bei dem Ehepaar Rüppel zurück. Nach der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 holte Dr. Berkenau sie jedoch aus dem bedrohten Haus und brachte sie bei einem „arischen“ Arzt unter.

Foto des Ehepaars Dr. Hans (rechts) und Dr. Erna Rüppel (2. v.l.) mit der Familie Berkenau (Mitte) und einer weiteren Freundin (links). Quelle: Stadtarchiv Solingen.
Das Ehepaar Dr. Hans (rechts) und Dr. Erna Rüppel (2. v.l.) mit der Familie Berkenau (Mitte) und einer weiteren Freundin (links). Quelle: Stadtarchiv Solingen.

1939 wanderte der beliebte menschenfreundliche Arzt notgedrungen nach England aus. Dort musste er erst ein englisches Medizinexamen nachholen, bevor er ab 1941 als Klinik-Arzt arbeiten konnte.

Sein Sohn Günther besuchte nach einigen Schulwechseln schließlich eine Tagesschule in Oxford, wohin seine Eltern zwischenzeitlich über die Schweiz geflohen waren. Nachdem er zeitweilig als Forstarbeiter gearbeitet hatte, meldete er sich 1942 mit 18 Jahren zur britischen Armee, wo er zum Panzerfahrer ausgebildet wurde. Damals änderte er seinen Familiennamen zu Berkeley. Er war beteiligt, als die Westalliierten am D-Day, dem 6. Juni 1944, an der nordfranzösischen Normandie-Küste landeten und damit die Westfront eröffneten, an der er bis zum 8. Mai 1945 kämpfte. Nach Kriegsende war er Besatzungssoldat in Norddeutschland.

Erst 1947 erhielt sein Vater Dr. Paul Berkenau die britische Staatsbürgerschaft. 1957 trat er in den Ruhestand. Paul Berkenau starb 1963.