Die Familie Coppel

Station 4: Die Solinger Synagoge

Malteserstraße 18 – Zur Karte – Zum Tourstart

Wir stehen hier am ehemaligen Standort der Solinger Synagoge, die in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 von Nationalsozialisten geplündert und in Brand gesetzt wurde.

Vor uns hängen zwei Tafeln an der Betonwand des 1943 an derselben Stelle errichteten Bunkers. Die obere „Mahntafel“ wurde am 29. November 1979 zum Gedenken an die Synagoge angebracht. Schülerinnen und Schüler des benachbarten Gymnasiums Schwertstraße hatten zuvor dafür Unterschriften gesammelt. Auch die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes sowie die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft hatten energisch auf ein Erinnerungszeichen gedrängt.

Die darunter befindliche Gedenktafel wurde am 8. November 1998 zum 60. Jahrestag des Novemberpogroms durch den damaligen Oberbürgermeister Ulrich Uibel eingeweiht. Auf der Tafel sind die Namen von 62 Solinger Opfern des Holocaust genannt, darunter der von Dr. Alexander Coppel ebenso wie der von Max Leven. Der jüdische Kulturkritiker der kommunistischen Tageszeitung „Bergische Arbeiterstimme“ wurde im Novemberpogrom 1938 von Nationalsozialisten in seiner Wohnung an der heutigen Max-Leven-Gasse ermordet.

Seit 2012 befindet sich auf der anderen Seite des Bunkers – auf dem Schulhof des Gymnasiums Schwertstraße – ein Bronzerelief des Bildhauers Henryk Dywan, das die Synagoge zeigt und auf eine Initiative von Schülerinnen und Schülern zurückgeht. Auch Alexander Coppel besuchte bis zur Obertertia, also bis zur 9. Klasse, das Gymnasium.

Die Synagoge an der Malteserstraße. Quelle: Stadtarchiv Solingen, RS 15816

Die Geschichte der Solinger Synagoge

Der Anteil der Juden an der Gesamtbevölkerung Solingens betrug stets weniger als ein Prozent. 1804 waren es 32 jüdische Einwohner, 1905 wurde mit 328 Personen ein Höchststand erreicht. 1933 waren 219 Juden in Solingen sesshaft.

Der Metzger und Handelsmann Coppel Samuel, der um 1770 aus dem Frankfurter Raum nach Solingen gekommen war, kaufte 1787 gemeinsam mit Michel David, Solinger Stammvater der Familie Michelson, ein Haus am Südwall/Ufergarten, das 85 Jahre lang als Schul- und Bethaus mit einer Mikwe für die Solinger Juden diente, aber nur rund 35 Männern Platz bot.

1861 kaufte die Gemeinde das vor uns befindliche Grundstück, denn das Gebäude am Südwall war durch die stark gestiegene Zahl jüdischer Einwohner als Synagoge viel zu klein geworden. Alexander Coppel, Coppel Samuels jüngster Sohn, ließ die Gemeinde an seinem geschäftlichen Erfolg teilhaben und unterstützte maßgeblich den Neubau der Synagoge. Am 8. März 1872 wurde der neuromanische Kuppelbau mit 150 Plätzen für Männer und 80 Plätzen für Frauen, einem Schulraum und einer Wohnung für den Lehrer eingeweiht. Es war ein feierlicher Akt mit Festumzug, an dem sowohl die Honoratioren der Stadt als auch die Solinger Bevölkerung teilnahmen.

Zum Tode von Alexander Coppel senior berichtete die Israelitische Wochenschrift am 25.12.1878 über seine tiefe Verbundenheit mit der Synagoge und den beeindruckenden Leichenzug. Quelle: Universitätsbibliothek Frankfurt am Main, Compact Memory

Gustav Coppel, der Enkel von Coppel Samuel, war 60 Jahre im Vorstand der Synagogengemeinde tätig, davon 30 Jahre als ihr Vorsitzender. Sein jüngster Sohn Alexander ließ sich ebenfalls in den Vorstand der Synagogengemeinde wählen, 25 Jahre lang war er stellvertretender Vorsitzender, nach der Emigration von Siegfried Feist 1940 Vorsitzender. Alexander Coppel sollte der letzte Vorsitzende der Solinger Synagogengemeinde bleiben.

In der Nacht zum 10. November 1938, der Nacht der Novemberpogrome in Deutschland, war die Solinger Synagoge an der Malteserstraße das erste Ziel. Schon zuvor hatte der Solinger Ratsherr Hesels am 4. Oktober 1938 vergeblich den Abriss der Solinger Synagoge verlangt. Nun aber konnte der entfesselte Mob von NSDAP- und SA-Mitgliedern sich bei den entrechteten Juden austoben. Die Synagoge wurde geplündert und in Brand gesetzt. Anschließend zogen alkoholisierte SA-Trupps durch die Stadt, verwüsteten Geschäfte und Wohnungen jüdischer Bürger sowie den jüdischen Friedhof mit seiner Kapelle. Vom 11. November an wurden die verbliebenen Reste der Synagoge abgerissen und das Grundstück eingeebnet. Auf dem Platz wurde 1943 ein Hochbunker errichtet.

In den Jahren nach Kriegsende lebten zunächst nur wenige Juden wieder in Solingen. Ende der 1960er Jahre sollen es etwa zehn Personen gewesen sein. 2010 wohnten etwa 300 Menschen jüdischen Glaubens in der Stadt, die mehrheitlich aus ehemaligen Sowjetrepubliken stammen. In Solingen gibt es heute keine eigenständige Synagogengemeinde mehr. Die Solinger Jüdinnen und Juden gehören der Kultusgemeinde Wuppertal an.

Im Februar 1995 entstand am Gymnasium Schwertstraße die Arbeitsgemeinschaft Bunker/Synagoge unter der Leitung von Dr. Horst Sassin und entwickelte zahlreiche Projekte. Sie führte unter anderem Fahrten nach Düsseldorf, Brüssel, Auschwitz und Lodz durch. 1996 wurde an der Schule eine Dauerausstellung über die Solinger Synagoge eröffnet. Zuletzt erinnerte anlässlich des 80. Jahrestages der Zerstörung der Synagoge der Solinger Kunstverein in Zusammenarbeit mit der Kunsthochschule für Medien Köln mit verschiedenen Kunstaktionen an dieses Ereignis.