Max Leven

Der Kaufmann und Kulturkritiker der „Bergischen Arbeiterstimme“ Max Levy, genannt Leven wurde am 12. Juni 1882 in Diedenhofen (Thionville) geboren, war verheiratet und hatte drei Kinder. Er wurde in der Pogromnacht am 10. November 1938 von führenden NSDAP-Mitgliedern überfallen und erschossen.

Max Leven kam 1916 aus Krefeld nach Solingen, weil er hier Arbeit beim Lunawerk der Abraham Feist Companie fand. Seine Frau Emmy trug mit einen kleinen Pelzhandel zum Familieneinkommen bei. Max Leven wechselte häufig die Arbeitsstellen. Das Zeilenhonorar, das er ab 1919 für Rezensionen in der „Bergischen Arbeiterstimme“ (BASt) bekam, reichte nicht für einen Lebensunterhalt. 1926 konnte er bei der BASt zusätzlich die Stelle eines Bilanzbuchhalters einnehmen. Gesundheitlich hatte Leven mit den Spätfolgen einer Syphilis-Infektion zu kämpfen, die schließlich zu seiner völligen Arbeitsunfähigkeit führten. Nach 1930 erschienen keine Artikel mehr von ihm.

Politisch folgte Max Leven der Linie der „Bergischen Arbeiterstimme“, trat 1918 der USPD bei und folgte später zur KPD. Seine Rezensionen waren zunächst noch völlig der Kunst gewidmet und seiner Leidenschaft für die großen Meister der klassischen Musik, die er den Arbeiterchören ans Herz legte. Ab 1924 verlegte sich sein Augenmerk jedoch von der künstlerischen Qualität auf die Wirksamkeit im Sinne sowjetischer Agitationspropaganda.

Die jüdische Gemeinde verließ Max Leven 1919, der kommunistischen religionsfeindlichen Linie entsprechend, während seine Frau und die beiden älteren Kinder Mitglieder der Synagogengemeinde blieben. Offenbar trat Max Leven nach Beginn der Judenverfolgung 1933 der Gemeinde wieder bei.

Podcast des Zentrums für verfolgte Künste zu Max Leven aus der Serie „Aus der Isolation“. Darin geht es vor allem um Max Levens Tätigkeit als Kunstkritiker für die „Bergische Arbeiterstimme“ und seine Leidenschaft für die großen Meister der klassischen Musik, die er den Arbeiterchören ans Herz legte.

Als Leven am 12. April 1933 erstmals in sogenannte „Schutzhaft“ genommen wurde, war er bereits seit längerer Zeit Invalide. Er wohnte immer noch in seiner Wohnung an der Hohen Gasse 6, im Gebäudeensemble der ehemaligen „Bergischen Arbeiterstimme“ und der Genossenschaftsbuchdruckerei, das bereits vor 1933 in Privatbesitz übergegangen war.

Max Leven war wie so viele Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschafter im Frühjahr 1933 festgenommen worden, um die Opposition aus der Arbeiterbewegung einzuschüchtern und ihren Widerstand zu brechen. Auch sein Sohn Heinz war im März 1933 in Düsseldorf verhaftet worden. Doch während Heinz Leven dort mehrere Monate im Gefängnis blieb, brachte man Max Leven am 30. August 1933 in das berüchtigte KZ Kemna nach Wuppertal-Beyenburg.

Karteikarte von Max Leven aus dem Strafgefängnis/Untersuchungshaftanstalt Wuppertal-Bendahl, Quelle: 3611018/11570560/ITS Digital Archive, Arolsen Archives

Hier erlebte der gehbehinderte Mann unmenschliche Schikanen. Ein Mithäftling berichtet von der sadistischen Behandlung durch einen KZ-Aufseher:

„Schutzhäftling Leven, der sehr gebrechlich war und an einem Stock ging, [hatte er] einen derartigen Tritt versetzt, dass er durch die Tür zurückflog.“

Landesarchiv NRW Rheinland, Gerichte Rep. 29 Nr. 293, Bl. 1584
Das KZ Kemna lag in Wuppertal-Beyenburg am Ufer der Wupper, Quelle: Stadtarchiv Wuppertal

Vom 24. November 1933 an war Max Leven auf dem Krankenrevier der Kemna gemeldet. Am 1. Dezember wurde er entlassen. Sohn Heinz war bereits im Oktober aus der Haft in Düsseldorf entlassen worden und in die Niederlande geflohen.

Über tatsächliche Widerstandsaktivitäten der Levens ist nichts bekannt. Dennoch gerieten Max und seine Frau Emmy Leven 1936 erneut ins Visier der Gestapo durch ihren freundschaftlichen Umgang mit der Familie Freireich. Diese waren ebenfalls Juden und in der Weimarer Republik wohl auch Anhänger der KPD gewesen. Die Treffen erweckten die Aufmerksamkeit von Nachbarn, die die Freireichs und ihre Besucher bei dem SA-Führer Gustav Hörmann denunzierten. Der Inhaber eines Radiogeschäfts installierte auf eigene Faust eine Abhöranlage und leitete die Protokolle der Zusammenkünfte einer vermeintlichen kommunistisch-jüdischen Zelle an die Solinger Staatspolizeinebenstelle weiter.

17.42 Uhr erscheint der Jude Leven, er spricht vom Tageblatt als Intelligenzblatt. Wolfgang Ganghort (?) sei ausgebildet (?) so spricht der Jude Leven, gleichzeitig spricht man von Zuchthausstrafen, dann Unterhaltung über arische Geschäfte. 18,- Uhr kam ein Fremder (Nachbar) und pumpte sich eine Fahrradpumpe. Aus der Zeitung liest der Jude Leven eine Reihe Schriftsteller und Künstler, welche aus ihren Stellungen entlassen und bestraft wurden. 18.10 Uhr kommt wieder jemand.

Vermerk zu Max Leven aus dem Abhörprotokoll über Familie Freireich, Quelle: Gestapo-Akte Freireich, Landesarchiv NRW Rheinland, RW 58 Nr. 3740 Bl. 13

Nachdem im März 1936 zuerst die Familie Freireich festgenommen wurde, folgte einen Monat später am 15. April 1936 die Verhaftung von weiteren 16 Personen, darunter Max und Emmy Leven. Beide stritten ab, etwas mit illegaler kommunistischer Arbeit zu tun zu haben und behaupteten, nur zum Zeitunglesen bei Familie Freireich gewesen zu sein. Emmy kam nach einer Woche wieder frei, Max Leven erst nach 14 Tagen. Der Gestapo war es nicht gelungen, eine kommunistische Verschwörung zu konstruieren. Die Familie Freireich wurde dennoch hart bestraft.

In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 entlud sich der Hass auf den Juden und Kommunisten Max Leven in tödlicher Weise. Nach Mitternacht drangen vier Mitglieder der NSDAP, die allesamt nach 1933 mit auskömmlichen Posten versorgt worden waren, in die Wohnung der Levens ein. Der ehemalige SA-Sturmbannführer und Leiter des Schlachthofs Ernst Baumann, der Kreispropagandaleiter Arthur Bolthausen, der Kreishandwerksmeister Wilhelm Tönges und der Hausmeister der benachbarten AOK Armin Ritter verwüsteten die Wohnung und schüchterten das Ehepaar ein. Armin Ritter zog schließlich eine Pistole, bedrohte Max Leven und schoss ihm in den Kopf. Danach ließen die Männer die völlig verstörte Emmy Leven allein mit dem Sterbenden zurück.

Die Wohnung der Familie Leven lag im Obergeschoss des vorderen markierten Hauses an der Hohen Gasse, heute Max-Leven-Gasse. Quelle: Stadtarchiv Solingen, Ausschnitt Luftbild von 1929, LB 91

Armin Ritter wurde zwar am nächsten Tag in einer Besprechung scharf gerügt, aber die Vernehmung war eine Farce, denn der Mord wurde zur Notwehr umdeklariert. Im Juli 1949 wurde Armin Ritter, der nach dem Krieg zunächst untergetaucht war, wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Tateinheit mit Totschlag zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Der Richter berücksichtigte eine „Affektinkontinenz“ des Angeklagten, die angeblich von einem Schädelbruch herrührte, den er sich 1930 bei einer Auseinandersetzung mit Kommunisten zugezogen hatte. Die anderen Mittäter wurden zu zwei bzw. anderthalb Jahren Haft verurteilt.

Prozessberichterstattung gegen die Täter der Pogromnacht, Rhein-Echo, 23.7.1949, Quelle: Stadtarchiv Solingen

Emmy und Anita Leven wurden nach Lodz deportiert und ermordet, Tochter Hannah nach Riga und ebenfalls ermordet. Heinz überlebte im Ausland und erlangte 1954 die deutsche Staatsbürgerschaft zurück. Über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt.

Quellen:
– Stadtarchiv Solingen, RS 9298, LB 91, Rhein-Echo vom 23.7.1949, Stolpersteinbiographien Familie Leven und Familie Freireich (Armin Schulte)
– Zentrum für verfolgte Künste, Podcast „Aus der Isolation“
– Arolsen Archives / JVA Wuppertal, Karteikarten von Gefangenen des Strafgefängnisses und Untersuchungshaftanstalt Wuppertal, 3611018/11570560
– Stephan Stracke: Der Novemberpogrom 1938 in Solingen, Solingen 2018
– Stadtarchiv Wuppertal, Foto der Kemna
– Landesarchiv NRW Rheinland, Gerichte Rep. 29 Nr. 293, Bl. 1584
– Landesarchiv NRW Rheinland, RW 58 Nr. 3740 Bl. 13
– Horst Sassin: „unsere wundervolle revolutionäre Aufgabe“ – Max Leven, Musikliebhaber, Unabhängiger Sozialdemokrat und „fanatischer Kommunist“ in Die Heimat, Heft 35, 2019/20

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