Die Reichspogromnacht
Anfang November 1938 fuhr Bellas Mutter nach Belgien, um eine Ausreise nach dort vorzubereiten. Auch wenn Bellas Vater lange Zeit nicht wahrhaben wollte, dass es zu gefährlich für sie in Deutschland wurde, hatten Bellas Eltern schließlich entschieden Solingen zu verlassen. Wegen der Reise ihrer Mutter war Bella in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 allein mit ihrem Vater und dem Kindermädchen Betty.
Bella schlief mit Betty in ihrem Zimmer und der Vater in seinem Schlafzimmer, als lauter Lärm alle drei weckte. Die Wohnungstür wurde aufgebrochen und viele uniformierte SS-Männer drangen mit ohrenbetäubendem Geschrei die Wohnung ein. Die fremden Männer begannen alles zu zerschlagen, was ihnen unter die Augen kam. Sie rissen Bilder und Spiegel von den Wänden, warfen Möbelstücke um, zerschmetterten Porzellan an der Wand oder traten es mit ihren schweren Stiefeln kaputt.
Bevor sie aus der Wohnung auf die Straße getrieben wurden, sah Bella noch, wie die Männer Schränke öffneten und alles auf den Boden warfen. Grobe Hände schubsten Bella die Treppe hinunter. Draußen schlugen die Uniformierten grundlos mit aller Gewalt auf ihren Vater ein. Während zwei ihn festhielten, boxte ihn einer in den Bauch. Ein anderer schlug gegen seinen Kopf, bis er auf dem Boden lag.
Bella schrie und wollte ihren Vater schützen, aber Betty hielt sie zurück. „Sei still, du dreckiges Judengör, sonst schlagen wir dich auch!“, brüllte einer der Männer. Da zog Betty Bella mit ihrer ganzen Kraft die Straße hinunter in die Dunkelheit. Bloß weg von der brutalen Schlägerei! Bellas Herz klopfte bis in die Ohren und das Zittern der Hände und Knie wollte nicht aufhören. In Bettys Armen kauerte sie hinter einer Hausecke.
Irgendwann, als nichts mehr zu hören war, zerrte Bella ihr Kindermädchen wieder zurück zu ihrem Vater. Der lag stark blutend auf dem kalten Boden und bewegte sich nicht. Bella schrie vor Angst und Schmerz. Und als Betty gerade versuchte, den Vater aufzurichten, kamen wie aus dem Nichts zwei Polizisten. Aber statt zu helfen, traten auch sie den Vater, damit er aufstand. Sie wollten ihn ins Polizeigefängnis bringen. Bella aber klammerte sich an ihm fest und weigerte sich, mit Betty wegzugehen. Und so landete Bella zusammen mit ihrem Vater in einer Zelle.
Mutterseelenallein verbrachte sie die Nacht neben dem Schwerverletzten auf einer Eisen-Pritsche. Sie weinte und streichelte vorsichtig ihren geliebten Papa. Sie wusste nicht, wie sie ihm helfen konnte. Ein Arzt hätte kommen müssen, aber niemand schaute in die Zelle. Keiner wollte helfen!
Am nächsten Morgen wurde Bella von Betty abgeholt. Nur, weil der Vater sie mit letzter Kraft anflehte, ging sie schließlich mit. Bettys Bruder Walter nahm sie bei sich in Ohligs auf. Bella bekam ein warmes Bett, aber sie konnte nichts anderes tun als weinen und immer weiter weinen. Erst drei Tagen später kam Bellas Mutter endlich aus Belgien zurück und versprach, den Vater zurückzuholen.
Aufgabe: Hier hätten Stolpersteine für Bellas Familie liegen können. Bella wollte das aber nicht, weil sie Angst hat, dass die Steine zerstört werden könnten von Menschen, die auch heute Jüdinnen und Juden hassen. Was denkt Ihr darüber?
Folgt dem Durchgang weiter bis zum Eiland und geht hier links Richtung Ufergarten. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite war früher einmal die Tivolistraße, wo das Möbelgeschäft der Familie Tabak war.
Station 7: Das Möbelgeschäft