Workshop III „Orte der Erinnerung“

Am 16. September 2022 trafen sich ein Geschichtskurs der Gesamtschule Höhscheid und interessierte Einzelbesucher:innen, um mit Armin Schulte und Daniela Tobias Orte zu besuchen, die an die ehemalige jüdische Gemeinde und jüdische Solinger:innen erinnern. Der jüdische Friedhof am Estherweg war dabei eines der wenigen Beispiele, das über das Thema „Holocaust“ hinausreicht, wenn auch die Spuren der Verfolgung durch das NS-Regime unübersehbar sind. An der Mauer neben dem Eingang weist seit 1998 eine Tafel mit den Namen der jüdischen Opfer auf die Verbrechen der Nationalsozialisten hin. Eine andere Tafel informiert in kurzen Eckpunkten über die Geschichte des Friedhofs und nennt die Kontaktdaten der Alexander-Coppel-Gesamtschule, die im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft seit 1987 den Friedhof pflegt und Führungen anbietet.

Die Begräbnisstätte der jüdischen Gemeinde wurde erstmals 1718 erwähnt. Der älteste Grabstein ist von 1820. Anhand der Gestaltung der Grabsteine lässt sich sehr gut die Emanzipationsgeschichte der Jüdinnen und Juden in Solingen ablesen, insbesondere bei der Familie Coppel. Die Familiengruft des 1914 verstorbenen Ehrenbürgers Gustav Coppel repräsentiert die herausragende Stellung der Unternehmerfamilie in der Solinger Stadtgesellschaft.

Auf dem jüdischen Friedhof. Foto: Daniela Tobias

Die in der Pogromnacht zerstörte Friedhofskapelle wird heute durch Schotterstreifen sichtbar gemacht, die die Lage der früheren Außenmauern markieren, jedoch gibt es sonst keine Erklärungen vor Ort dazu. Auf dem Rasen erinnert eine Tafel an die Mitglieder der jüdischen Gemeinde, die im Ersten Weltkrieg gefallen sind. Diese und eine weitere identische Tafel befanden sich früher in der Friedhofskapelle und auch in der Synagoge und verdeutlichten das Selbstverständnis der Jüdinnen und Juden als deutsche Bürger. Auf dem Grab von Max Leven, der in der Pogromnacht in seiner Wohnung erschossen wurde, errichtete die Stadt Solingen erst nachträglich auf Anregung der AG Jüdischer Friedhof einen Grabstein. Namensplaketten erinnern, wie an einigen anderen Gräbern auch, an die in den Konzentrations- und Vernichtungslagern ermordeten Familienangehörigen.

Vom jüdischen Friedhof ging es Richtung Rathaus. An der Ecke Potsdamer Straße erinnert nichts mehr an das 2001 abgerissene Stadthaus. Hier wurden nicht nur politische Gegner gefangen gehalten und gefoltert, sondern auch im Nachgang der Pogromnacht 1938 jüdische Männer inhaftiert, bevor einige von ihnen in das Konzentrationslager Dachau überstellt wurden. Das Stadthaus war auch Informationszentrale in der Pogromnacht. Hier wurden die Listen mit den Adressen der jüdischen Wohnungen und Geschäfte verteilt, zu denen dann die Schlägertrupps ausrückten.

Im Forum der Bergischen VHS fand eine kurze Kaffeepause statt, bevor die Gruppe weiter Richtung Neumarkt ging. Hier wies Armin Schulte anhand der Stolpersteine der Familie Brauer auf ein Verbrechen hin, das weit außerhalb des Stadtzentrums am Pfaffenberg stattfand. Hedwig Brauer gehörte zu den sechs Personen, die dort in einem sogenannten „Judenhaus“ wohnen mussten und im Juli 1941 Opfer eines brutalen Pogroms wurden. Die Verlegung des Steins fand am Jahrestag des Pogroms statt. Eine zusätzliche Infotafel am Pfaffenberg ist in Planung.

An der Max-Leven-Gasse entsteht die neue Bildungs- und Gedenkstätte. Foto: Daniela Tobias

Wenige Meter vom Neumarkt entfernt wird derzeit an der Baustelle der Stadt-Sparkasse Solingen an deren neuer Hauptgeschäftsstelle gearbeitet. In das Gebäude integriert entsteht zur Max-Leven-Gasse hin die zukünftige Bildungs- und Gedenkstätte. 1979 bekam die ehemalige Hohe Gasse den Namen des jüdischen Kulturkritikers, der für die hier ansässige „Bergische Arbeiterstimme“ schrieb und der in der Pogromnacht in seiner Wohnung an der Hohen Gasse erschossen wurde. 2004 gehörten die Stolpersteine für die Familie Leven zu den ersten, die in Solingen verlegt wurden. Die Vereinsvorsitzende Daniela Tobias erinnerte an die bürgerschaftliche Initiative zur Einrichtung einer Bildungs- und Gedenkstätte, die im September 2019 zur Gründung des Vereins Max-Leven-Zentrum Solingen e. V. führte und zur Übernahme der Trägerschaft durch die Stadt Solingen.

Auf dem Weg zum Bunker an der Malteserstraße legte die Gruppe einen Zwischenstopp am ehemaligen Firmengelände der Familie Coppel ein. Von der Malteserstraße aus ist gegenüber dem Amtsgericht noch ein Schild mit dem historischen Firmennamen Alcoso (Alexander Coppel Solingen) zu sehen, den die heute dort ansässige Firma weiter führt, auch wenn sie mit dem ehemaligen Unternehmen außer dem Namen nichts mehr gemein hat. Die Familie Coppel wurde 1936 von den Nationalsozialisten enteignet.

Horst Sassin sprach über die Gedenkkultur am Bunker. Foto: Daniela Tobias

Am Bunker Malteserstraße erinnerte Horst Sassin, ehemaliger Geschichtslehrer des Gymnasiums Schwertstraße, an eine von Lehrer:innen und Schüler:innen getragene Initiative, eine Gedenktafel anzubringen. Sie sollte auf die Geschichte der Solinger Synagoge hinweisen, die von 1872 bis1938 an dieser Stelle gestanden hatte. Trotz mancher Widerstände wurde die Tafel 1979 mit Unterstützung von VVN/BdA und der Gewerkschaft GEW angebracht.

2021 hat die Stadt Solingen den Bunker vom Bund übernommen, was zunächst dazu führte, dass aus Sicherheitsgründen ein Zaun rund um das Gebäude errichtet wurde und somit die Gedenktafel von der Straße aus nicht mehr lesbar ist. Seit dem Festakt zum 150. Jahrestag der Einweihung des Gotteshauses am 12. März 2022 zitiert eine über vier Meter große Stahlskulptur des Künstlers Michael Bauer-Brandes an der Fassade die Form einer Fensterrose der Synagoge.

Der vierte Workshop der Heimatwerkstatt soll nun am 25. September 2022 Ideen für die zukünftige Gestaltung des Bunkers und des umgebenden Geländes sowie digitale Vermittlungsformen zur jüdischen Geschichte und Gegenwart liefern.