Workshop I „Jüdische Geschichte“

Gustav Coppel und Max Leven sind denjenigen, die sich bereits mit der jüdischen Geschichte Solingens beschäftigt haben, meist ein Begriff. Die beiden Ohligserinnen Henriette Meyerhoff und Margot Wallach dagegen eher nicht. Das ergab eine kurze Umfrage unter den Teilnehmenden des ersten Workshops aus der Heimatwerkstatt-Reihe „Solinger Synagoge/Bunker Malteserstraße“ zu verschiedenen Personen und Themen. Die Vermittlung der jüdischen Geschichte Solingens stand im Mittelpunkt der Veranstaltung, die am 17. Juni 2022 von Armin Schulte und Daniela Tobias im Zentrum für verfolgte Künste geleitet wurde.

Eine Ausstellung des Stadtarchivs, die zum 150. Jahrestag der Einweihung der Solinger Synagoge entwickelt wurde, und die Ausstellung „Gesichter und Geschichten – Jüdisches Leben in Deutschland“ des MiQua (Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier Köln) gaben im alten Ratssaal einen Überblick über bereits Vorhandenes, ebenso wie ein Büchertisch und eine Linksammlung. Dass es sowohl zu vermeintlich bekannten Biographien wie denen der Familie Coppel und von Max Leven noch neue Erkenntnisse und offene Fragen gibt, zeigten die Vorträge von Armin Schulte und Horst Sassin. Daniela Tobias ging in ihrem Beitrag zu Henriette Meyerhoff und Margot Wallach auf neue Quellen ein, die online zugänglich sind und die Recherchemöglichkeiten in den letzten Jahren erheblich erweitert haben, auch für interessierte Laien. Ein Ausschnitt aus einem Interview, das die Shoah Foundation 2001 mit Margot Wallach führte, gab Einblick in ihre Lebenswelt als jüdisches Kind in Ohligs.

Neben der Frage nach offenen Forschungsfeldern ging es im anschließenden Austausch vor allem um die Frage der Vermittlung und den Zugang zu Personen, die kein eigenes Interesse mitbringen oder sich sogar ablehnend gegenüber der Beschäftigung mit der jüdischen Geschichte zeigen. „Ich erlebe immer wieder vor allem ältere Menschen, die mir sagen, es müsse doch mal Schluss sein“, berichtete Barbara Grahovac aus Alltagsgesprächen, die zeigen, dass jüdische Geschichte oft allein mit der Zeit des Holocaust assoziiert wird. Sie wünscht sich niederschwellige Angebote, die zum Beispiel mit Musik als Eisbrecher Interesse wecken. Für Damian Grams könnte ein Café als Begegnungsraum am Bunker Malteserstraße ein attraktiver Türöffner sein, um über die Geschichte der Synagoge zu informieren.

Alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen sahen die Schulen in der Pflicht, eine Basis zu legen. „Unser Sohn besucht die Oberstufe eines Solinger Gymnasiums. Neulich war die Reichspogromnacht Thema im Unterricht, da wusste fast keiner seiner Mitschüler etwas mit anzufangen. Wie kann das sein?“, fragte Martina Grams-Wilkens. Im Lehrplan sei die Geschichte des Nationalsozialismus verbindlich verankert, betonte Simone Sassin, die an der Alexander-Coppel-Gesamtschule die AG jüdischer Friedhof betreut. „Wie intensiv die Kollegen und Kolleginnen sich darüber hinaus engagieren, ist natürlich sehr unterschiedlich. Wir bauen gerade einen Projektkurs auf.“ Damian Grams erinnerte an die Schüler und Schülerinnen des Gymnasiums Schwertstraße, die beim Festakt im März ihre Gedanken über eine zeitgemäße Erinnerungskultur vorstellten. „Es ist wichtig, dass wir da genau hinhören und moderne Formen der Vermittlung finden, die die Jugendlichen auch ansprechen und erreichen in ihrer Lebenswelt.“

Das Max-Leven-Zentrum bietet den Schulen bei der Entwicklung und Umsetzung von Unterrichtsreihen und Exkursionen vielfältige Unterstützung an, die von einzelnen bereits rege genutzt werden, in der Breite jedoch noch bekannter gemacht werden müssen. „Da ist vieles durch Corona ins Stocken geraten, aber wir wissen, dass die Solinger Schulen grundsätzlich sehr interessiert sind an unserer Arbeit“, zeigte sich Armin Schulte zuversichtlich. Daniela Tobias berichtete, dass inzwischen auch immer mehr Anfragen von Grundschulen kämen. So entstehe gerade ein altersgerechtes Kinderbuch über die Geschichte von Bella Tabak, die als Siebenjährige in Solingen die Pogromnacht erlebte und anschließend mit ihren Eltern aus Deutschland fliehen musste. „Drei Solinger Lehrerinnen haben den Text geschrieben und eine Schülerin des Technischen Berufskollegs steuerte die Illustrationen bei. Das Projekt wird vom Verein Max-Leven-Zentrum mit Fördermitteln aus dem Programm ,Demokratie leben‘ umgesetzt.“ Das Buch soll im kommenden Schuljahr an alle Solinger Grundschulen verteilt werden.

Der nächste Workshop Ende August wird sich mit dem jüdischen Leben heute beschäftigen und in die Bergische Synagoge nach Wuppertal führen. Der genaue Termin steht noch nicht fest. Der dritte Workshop am 16. September 2022 führt als Stadtrundgang an die Orte der Erinnerung, und im vierten Workshop am 25. September 2022 geht es dann um kreative Ideen zum Umgang mit dem Bunker an der Malteserstraße und der Geschichte der Solinger Synagoge.