Die Kaufleute von Ohligs

Station 7: Familie Steeg

Die Düsseldorfer Straße 35 heute. Foto: Daniela Tobias

Düsseldorfer Straße 35 – Zur Karte – Zum Tourstart

Paul Steeg kam 1874 in Bochum zur Welt. Er heiratete die 1875 in Castrop geborene Emma Steinberg. Das Ehepaar kam 1905 nach Ohligs. Es eröffnete 1909 in der Düsseldorfer Straße 35 den „Central-Bazar“.

Der „Central-Bazar“ gehörte zu den größten jüdischen Geschäften in Ohligs. Neben Spielwaren gab es Kristallwaren, Kunstgegenstände, Kleinmöbel, Haushaltswaren und Geschenkartikel zu kaufen.

Geschäft Paul Steeg, Düsseldorfer Str. 35 (rechts), Postkarte von ca. 1910. Quelle: Stadtarchiv Solingen, PK 2446
Das Geschäft von Paul Steeg an der Düsseldorfer Straße 35 (rechts), Postkarte von ca. 1910. Quelle: Stadtarchiv Solingen, PK 2446

Tochter Grete absolvierte nach der Schule eine kaufmännische Lehre im „Central-Bazar“. 1929 heiratete sie den in Iserlohn geborenen Kaufmann Walter Wertheim.

Annonce zum Schulanfang vom 5. April 1910 im Ohligser Anzeiger. Quelle: Stadtarchiv Solingen via zeitpunkt.nrw
Annonce vom 5. April 1910 im Ohligser Anzeiger. Quelle: Stadtarchiv Solingen via zeitpunkt.nrw
Annonce vom 5.9.1931 im Ohligser Anzeiger. Quelle: Stadtarchiv Solingen via zeitpunkt.nrw

Als Paul in den Ruhestand ging, eröffnete Schwiegersohn Walter anstelle des „Central-Bazars“ ein Warenhaus namens „ERWEGE“. Die Waren dort waren besonders günstig.

Walter Wertheim beschäftigte zwischen 45 und 60 Angestellte. Er galt als strenger, aber guter Chef. Grete war für das Personal sowie für die Abteilungen Textil-, Schreib- und Schuhwaren verantwortlich.

Paul war nach seiner Rente der stellvertretende Vorsteher der jüdischen Gemeinde Solingen.

Walter hatte noch einen jüngeren Bruder: Fritz. Fritz war eigentlich Anwalt. Die Nationalsozialisten verboten Juden jedoch, als Anwälte zu arbeiten. Deswegen zog er im August 1933 nach Ohligs und arbeitete im Geschäft von Walter mit.

Die Brüder waren in einem jüdischen Sportverein, da sie in anderen Vereinen nicht mehr mitmachen durften.

Das Warenhaus machte trotz Boykotten und Judenfeindlichkeit noch bis 1937 Gewinn. In der Pogromnacht 1938 wurden Geschäft und Privatwohnungen der Familien komplett zerstört. Grete und Walter mussten aus einem Fenster flüchten. Emma konnte in die Wohnung eines Mitarbeiters flüchten.

Paul war vermutlich zu der Zeit im jüdischen Krankenhaus in Köln in Behandlung. Er starb dort zwei Tage nach der Pogromnacht an den Folgen eines Magengeschwürs. Ob Grete noch Abschied von ihrem Vater nehmen konnte, wissen wir nicht. Bereits am 12. November ging sie zusammen mit ihrem Mann und seinem Bruder Fritz im niederländischen Rotterdam an Bord eines Schiffes. Das Schiff brachte sie nach New York.

Grabstein von Paul Steeg auf dem jüdischen Friedhof in Köln-Bocklemünd. Quelle: Synagogengemeinde Köln

Das Geschäft in Ohligs wurde an einen nicht-jüdischen Besitzer verkauft. Auch die Möbel der beiden Familien verkaufte man.

Im Dezember 1939 gelang es Emma ebenfalls, nach New York zu kommen. Walter eröffnete in New York ein Lebensmittelgeschäft. Besonders beliebt war bei den Kunden ein Heringssalat, der nach einem Rezept von Emma zubereitet wurde.

Einbürgerungsantrag von Emma Steeg. Quelle: „New York, Southern District, U.S District Court Naturalization Records, 1824-1946“, database with images, FamilySearch (https://www.familysearch.org/ark:/61903/1:1:QP7X-8H8Q : 8 March 2021), Emma Steeg or Steinberg Steeg, 1940.