Jüdische Kaufleute in Ohligs

Von Armin Schulte und Daniela Tobias

Die Tour startet am Ohligser Markt und endet am Hauptbahnhof. Die Strecke ist etwa 400 m lang und barrierefrei.

Zu jeder Station gibt es auch einen Audio-Guide, der im Oktober 2022 von Schüler*innen der Geschwister-Scholl-Schule unter Leitung von Patrick Kiesecker aufgenommen wurde.

Im April 2022 erschien das Buch „Jüdische Kaufleute in Ohligs“ von Armin Schulte und Daniela Tobias im Bergischen Verlag (188 Seiten, 21,0 x 21,0 cm, Kartoniert mit Klappen), ISBN 978-3-96847-028-3

Am Dienstag, 4. Juni 2024 ab 12 Uhr werden an der Düsseldorfer Straße Stolpersteine verlegt für die Familien Wallach, Steinberger, Zürndorfer, Steeg, Davids und Rosenbaum. In diesem Rahmen wird auch ein neuer QR-Code-Pfad eröffnet, der die Stolpersteine mit den Informationen auf dieser Webseite verknüpft. Die Erstellung des Pfades wurde von der Gerd-Kaimer-Bürgerstiftung Solingen gefördert.


Station 1: Familie Coopman

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Die Düsseldorfer Str. 76 heute. Foto: Daniela Tobias

Düsseldorfer Str. 76 – Zur Karte

Unsere Tour startet am Ohligser Marktplatz. Hier hatte an der Düsseldorfer Straße 76 der Kaufmann David Coopman ein Geschäft für Herren- und Knabenbekleidung. Coopman stammte wie die meisten jüdischen Händler und Händlerinnen, die sich um die Jahrhundertwende im aufstrebenden Ohligser Zentrum niederließen, aus dem ländlichen Raum. Die Generation ihrer Eltern war dort meist noch auf den Viehhandel festgelegt gewesen, als einen der wenigen erlaubten Berufe für Juden. Manche hatten es damit immerhin soweit gebracht, dass sie nach der gesetzlichen Gleichstellung der Juden ihren Kindern eine gute Ausbildung ermöglichen konnten, die einen raschen sozialen Aufstieg zur Folge hatte.

Geschäft Coopman, Düsseldorfer Str. 76 (Bildmitte mit Sonnenschutz am Schaufenster). Quelle: Stadtarchiv Solingen, PK 1691

David Coopman kam am 30. Dezember 1877 in Linnich bei Jülich als Sohn des Pferdehändlers Heumann Coopman und seiner Frau Bertha zur Welt. Seine Mutter hatte bereits aus erster Ehe die zwei Töchter Regina und Emma. Der Geburt von David folgten die Geschwister Jenny, Julie und Jakob.

Schon 1885 und 1899 hielten sich die Schwestern Emma und Jenny Coopman vorübergehend in Solingen auf. Auch Julie Coopman wohnte 1903 für mehrere Monate in Solingen.

Am 25. November 1897 zog David Coopman von Hilden, wo seine Schwester Emma mit ihrem Mann Josef Krämer im selben Jahr ein Geschäft eröffnet hatte, nach Ohligs. Hier war er zunächst als Handlungsgehilfe bei Julius Wolff an der Düsseldorfer Straße 43 gemeldet. Wolff war vermutlich durch seine Frau Bertha Coopman mit ihm verwandt.

Von 1898 bis Oktober 1901 leistete David Coopman seinen Militärdienst und kehrte anschließend nach Ohligs zurück. Seit 1908 war er als selbständiger Kaufmann gemeldet und führte sein eigenes Herrenbekleidungsgeschäft. Er schaltete regelmäßig Anzeigen und warb per Zeitungsbeilage. In verschiedenen Annoncen pries Coopman sein Modegeschäft als „billigstes Kaufhaus für Herren-, Knaben- u. Arbeitergarderoben“ an. 1916 zog auch seine Schwester Julie nach Ohligs und war bei ihm als Verkäuferin tätig. Ebenso wie David blieb sie unverheiratet, auch wenn im September 1919 ihre Verlobung im Ohligser Anzeiger bekannt gegeben wurde. Das Geschäft galt als gutgehend, gehörte aber nie zu den größeren Ohligser Textilkaufhäusern.

Anzeige von David Coopman im Ohligser Anzeiger vom 4.4.1914. Quelle: Stadtarchiv Solingen via zeitpunkt.nrw

Seit der nationalsozialistischen Machtübernahme im Jahre 1933 war der Geschäftsbetrieb des Textilkaufhauses im Zuge der antisemitischen Verfolgungspolitik zunehmenden Restriktionen unterworfen. Am 12. Oktober 1937 starb David Coopman nach der Operation eines Leistenbruchs in den Städtischen Krankenanstalten. Die Beisetzung fand auf dem jüdischen Friedhof in Solingen statt. Sein Grabstein, ein Werk des Düsseldorfer Bildhauers Leopold Fleischhackers, trägt die Aufschrift: „Nur die Vergessenen sind tot.“

Grabstein von David Coopman mit einer Plakette für seine Schwester Julie. Foto: Daniela Tobias

Das Geschäft wurde zunächst von seiner Schwester weitergeführt, dann aber aufgelöst. Julie Coopman zog am 29. Juli 1938 nach Köln. Von dort aus wurde sie am 30. Oktober 1941 in das Ghetto von Litzmannstadt (Lodz) deportiert.

Aus dem Ghetto hat sich ein erschütterndes Schreiben der Leiterin des „Greisenheims Marysin II“ an das „Amt für Eingesiedelte“ vom 1. Mai 1942 erhalten, in dem sie sich für das Leben von Julie Coopman und vier weiteren kranken Menschen einsetzte:

„Wir bitten oben genannten Personen von der Aussiedlung aus Litzmannstadt-Getto zu befreien und erlauben uns nachstehend die Gründe dafür anzugeben: I. Vor allem sind alle diese Personen Insaßen des Greisenheimes, krank und alt. Frl. Coopmann, Herr Michel und Frau Katz befinden sich in unserem Notspital seit längerer Zeit und sind vollkommen zum Transporte unfähig.“

Antrag auf Zurückstellung von der Ausweisung aus dem Getto Lodz vom 1. Mai 1942.
Antrag auf Zurückstellung von der Ausweisung aus dem Getto Lodz vom 1. Mai 1942. Quelle: Staatsarchiv Lodz APL PSZ, Sig. 39/278/0/19/1290, Bl. 404

Julie Coopman überlebte den Brief nur um wenige Wochen. Sie starb am 6. Juni 1942 im Ghetto.

Auch Julies und Davids Geschwister, deren Ehepartner und Kinder wurden Opfer des Holocausts. Nur ihr Neffe Bernhard Krämer und vermutlich auch dessen Schwester Klara konnten den Krieg überleben. Den Nationalsozialisten war es gelungen, die Familie Coopman fast vollständig auszulöschen.