Jüdische Kaufleute in Ohligs

Station 5: Familie Davids

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Die Düsseldorfer Str. 40 heute. Foto: Daniela Tobias

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Der Kaufmann Simon Davids und seine Frau Helena Amalie aus Hüls bei Krefeld hatten zwischen 1866 und 1883 neun Kinder bekommen: Josef, Gertrud, Moritz, Johanna, Max, Thekla, Georg, Selma und Sally. Die Geschwister führten in Ohligs, Neuss, Wiesbaden, Remscheid und Bochum Geschäftshäuser für Bekleidung.

Am 28. Juni 1907 warb Georg Davids im Ohligser Anzeiger für sein Bekleidungsgeschäft in Ohligs und wies dabei auf weitere Läden in Remscheid, Neuss und Wiesbaden hin. Quelle: Stadtarchiv Solingen via zeitpunkt.nrw

Das erste Familienunternehmen gründete vermutlich Max Davids 1896 in Wiesbaden. Schwester Johanna Davids zog 1899 nach Remscheid, wo sie eine Zweigniederlassung der Solinger Firma „Falk & Cie“ führte. 1906 heiratete sie den Kaufmann Julius Lange, der spätestens 1914 Besitzer von „Falk & Cie“ wurde. Parallel dazu unterhielt Max Davids bereits vor 1907 in Remscheid das Herren- und Knabenbekleidungsgeschäft „Gebr. Davids“.

Im Dezember 1899 zog der am 11. Oktober 1878 geborene Georg Davids von Benrath kommend in das aufstrebende Ohligs. Er war zunächst als Handlungsgehilfe gemeldet, leistete 1900/1901 seinen Militärdienst. 1903 heiratete er die am 23. November 1880 in Aschaffenburg geborene Jenny Strauss in deren Heimatstadt.

Am 23. April 1901 annoncierte Georg Davids im „Ohligser Anzeiger“ die Eröffnung des Herrengarderobengeschäft „Gebr. Davids“ an der Düsseldorfer Straße 42 (heute 38). Mitinhaber war damals noch sein ältester Bruder Josef, Viehhändler in Hüls und später Vorsteher der dortigen jüdischen Gemeinde.

Geschäft Davids, Düsseldorfer Str. 40 (rechts), Postkarte von ca. 1910. Quelle:
Stadtarchiv Solingen, PK 1600

Am 8. November 1907 wurde der repräsentative und noch heute straßenbildprägende Neubau an der Düsseldorfer Straße 40 bezogen, dessen Eigentümer Georg Davids war. Auch privat entwickelte sich das Familienleben prächtig: am 14. Juni 1904 wurde Sohn Walter geboren, Tochter Hilde folgte am 4. Februar 1906.

1911 warb Georg Davids mit der „unerreichten Preiswürdigkeit“ seines Betriebs und bezeichnete sich 1912 selbst als das „größte Specialgeschäft der Kleidungsbranche“. Und tatsächlich rangierte das Geschäft laut Steuereinschätzung der Gemeinde für die nächsten Jahre immer auf Platz zwei der Ohligser Unternehmen in jüdischem Besitz, übertroffen nur von dem Industriellen Nathan Kastor. Die meist großformatigen Annoncen von Georg Davids im Ohligser Anzeiger beeindruckten durch ihre auffällige Gestaltung und priesen sowohl Markenware als auch die eigene Anfertigung an.

Davids warb auch auf einer Hauswand am Ohligser Markt. Quelle: Stadtarchiv Solingen, PK 3455

1912 zog Georgs Schwester Selma nach Ohligs. Um 1913 begründete sie zusammen mit ihrem Schwager Julius Lange an der Düsseldorfer Straße 3 unter dem Namen „J. Lange & Co.“ ein „Spezial-Modehaus für Putz“, sprich für Damenmode. Am 27. Juni 1919 heiratete Selma den aus Bückeburg stammenden Kaufmann Siegfried Scheiberg. Nach nicht einmal neunmonatiger Ehe starb sie am 16. März 1920 an einer Lungenentzündung und wurde auf dem jüdischen Friedhof in Solingen beerdigt.

Das Geschäft von Georgs Schwester Selma Davids und dem gemeinsamen Schwager Julius Lange befand sich am oberen Ende der Düsseldorfer Straße auf dem heutigen Bremsheyplatz. Die Aufnahme entstand um 1925. Das Gebäudeensemble existiert nicht mehr. Quelle: Stadtarchiv Solingen, RS 16540
Grabstein von Selma Scheiberg auf dem jüdischen Friedhof. Foto: Daniela Tobias

Ein familiäres Großereignis fand am 10. Juli 1929 in der Familie von Jenny und Georg Davids mit der Hochzeit von Tochter Hilde und Karl Eichenberg aus Frankfurt statt. Gefeiert wurde in der Düsseldorf-Loge der jüdischen Organisation „B’nai Brith“ an der Grafenberger Allee 78. Das Restaurant wurde von der zuvor in Solingen ansässigen Familie Lubascher betrieben. Hilde zog mit ihrem Mann Karl Eichenberg zunächst nach Frankfurt, wo 1930 Tochter Lore zur Welt kam. Später war die Familie in Aschaffenburg ansässig.

Heiratsanzeige von Karl Eichenberg und Hilde Davids im Ohligser Anzeiger vom 9. Juli 1929. Quelle: Stadtarchiv Solingen via zeitpunkt.nrw

Im März 1931 feierte das Geschäft Gebr. Davids sein 30-jähriges Bestehen, was nicht nur im Ohligser Anzeiger mit einem bebilderten Artikel gewürdigt und mit entsprechenden Glückwünschen für die Zukunft versehen wurde.

„Dreißig Jahre ist [die Firma] aufs engste mit dem Wohl und Wehe unserer Vaterstadt verknüpft gewesen. Auch die persönlichen Bande zwischen ihr und den Ohligsern sind in diesem Menschenalter immer enger geworden. Wir sind davon überzeugt, daß auch in den kommenden Zeiten das Ansehen der altbekannten Firma noch weiter steigen und wachsen wird.“

Ohligser Anzeiger vom 20. März 1931

Mit der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten 1933 setzte jedoch sofort der Niedergang der Geschäftsentwicklung des Kaufhauses Davids ein. Die Steuern machten nur noch ein Drittel des Jahres 1930 aus. Ursächlich waren die Folgen der Weltwirtschaftskrise und der Boykottmaßnahmen der neuen Machthaber. Bereits 1934 zahlte die Familie „Reichsfluchtsteuer“, plante also gezielt ihre Auswanderung. 1935 kam es jedoch zu einer geschäftlichen Erholung. Möglicherweise erfuhren die Auswanderungspläne dadurch eine Verzögerung.

Im August 1935 wurde Walter Davids als Teilhaber in das Herrenkonfektionsgeschäft seiner Eltern aufgenommen. Im April 1936 annoncierte man in der „Jüdischen Rundschau“: „Durchaus tüchtiger, jüngerer Dekorateur für Herren- und Damen-Konfektion sowie Herren-Mode-Artikel, welcher in der Lage ist, 10 große Fenster zugkräftig und modern zu dekorieren sowie guter Lackschreiber und Plakatmaler ist, per bald gesucht“. Im Februar 1937 heiratete Walter in Meiningen, Thüringen, die dort geborene Gerda Stein, die zu ihm nach Ohligs zog.

Suchinserat für einen Dekorateur in der Jüdischen Rundschau vom 17.4.1936, Quelle: Universitätsbibliothek Frankfurt am Main, Compact Memory

Trotz aller scheinbar noch in die Zukunft weisenden geschäftlichen und privaten Entwicklungen wurde das Geschäft Davids am 28. Januar 1938 „arisiert“, das heißt, an einen nicht-jüdischen Besitzer (zwangs-)übertragen. Die Artmeier HG aus Solingen führte das Geschäft fortan als Filiale weiter. Georg und Walter Davids meldeten beide Anfang März 1938 ein Gewerbe als Handelsvertreter für Textilwaren an, das sie jedoch nur kurze Zeit später wieder aufgaben. Ende März zogen beide Ehepaare nach Köln.

Ankündigung der Übernahme des Geschäfts Davids durch Artmeier im Ohligser Anzeiger vom 27. Januar 1938. Quelle: Stadtarchiv Solingen via zeitpunkt.nrw

Bereits am 8. November 1938 hatten sich Hilde und Karl Eichenberg mit ihrer Tochter Lore von Rotterdam nach Amerika ausschiffen können. Gerda und Walter Davids, deren erste geplante Schiffspassage für den Oktober 1938 noch gescheitert war, emigrierten Ende März 1939 von Rotterdam in die Vereinigten Staaten. Die Eltern blieben alleine in Köln zurück. Alle Versuche, auch für sie noch Visa zu organisieren schlugen fehl.

Als erstes Mitglied der Familie Davids wurde am 22. Oktober 1941 Julius Lange von Köln aus in das Ghetto von Lodz deportiert. Georg und Jenny Davids wurden von Köln aus nach Berlin verschleppt, wo sie am 29. Januar 1943 einem Transport in das Vernichtungslager Auschwitz angehörten. Sämtliche Geschwister von Georg Davids und deren Ehepartner, die nicht bereits vorher eines natürlichen Todes gestorben waren, wurden Opfer der Shoah. Die überlebenden Kinder, denen die Auswanderung gelungen war, blieben noch lange Zeit im Ungewissen über das Schicksal ihrer in Europa zurückgebliebenen Eltern.

Hilde Eichenberg starb am 25. September 1973 in Toledo, Ohio, nur drei Tage nach ihrem Mann Karl. Ihr Bruder Walter starb am 3. September 1996 in New York.

Von den Zeitläuften scheinbar unberührt steht das stolze Haus der Davids noch immer an der Düsseldorfer Straße 40 in Ohligs, schräg gegenüber das einstige Kaufhaus der Familien Steeg und Wertheim. Die ehemaligen Bewohner der Häuser aber sind fast vergessen. Im Rahmen einer kleinen Ausstellung zu den jüdischen Kaufleuten in Ohligs kehrten sie im Frühjahr 2021 mit Lebensdaten, Bildern und Erinnerungen an ihr Wirken für einen kurzen Augenblick in das Haus Nr. 40 zurück. Im Pflaster vor dem Haus finden sich zwei Stolpersteine für Jenny und Georg Davids.

Schaufensterausstellung im Haus Düsseldorfer Str. 40. Foto: Daniela Tobias