Jüdische Kaufleute in Ohligs

Station 6: Familie Bassat

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Die Düsseldorfer Str. 40 heute. Foto: Daniela Tobias

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Unter den jüdischen Unternehmern in Ohligs stellten die Fabrikanten Heinrich Bassat und Nathan Kastor Ausnahmen dar. Während die jüdischen Geschäftsleute in ihrer Mehrheit Einzelhändler waren, handelte es sich bei Bassat und Kastor um Industrielle, bei Letzterem sogar um einen Großindustriellen.

Enrique Bassat, Aufnahme von ca. 1939. Quelle: Stadtarchiv Solingen

Enrique Juan Bassat y Strumza – oder Heinrich Bassat, wie er sich später in Deutschland nennen sollte – wurde am 15. April 1891 in Istanbul, der Hauptstadt des Osmanischen Reichs, als Sohn des Lazaro Elyezer Bassat und seiner Ehefrau Regina geboren. Die Bassats waren sephardischer Juden, die nach der Reconquista aus Spanien vertrieben worden waren und auf dem Balkan und schließlich in der Türkei eine neue Heimat gefunden hatten. Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts fand ein Teil der Familie zurück in ihre ehemalige Heimat Spanien. Die Bassats gründeten in mehreren Ländern Stahlwarenfirmen.

Über die Kindheit und Jugend von Enrique Bassat ist nichts bekannt. 1920 heiratete er in Istanbul die am 23. Oktober 1897 in Adrianopel (Edirne) geborene Rosa Asseo. 1922 zog das Paar nach Hamburg, wo Bassat im Oktober eine Stahlwarenfirma gründete. Im Juni 1925 meldete er sich in Ohligs an und im April 1926 begann an der Fürkerfeldstraße 22 die Herstellung von Rasierklingen, Rasierapparaten, Taschenmessern und Scheren. Laut Gewerbekarteikarte war Enrique Bassat türkischer Staatsbürger mit Wohnsitz in Paris. Nachdem 1926 sein Bruder Alberto als persönlich haftender Gesellschafter in das Unternehmen eintrat, wurde das Geschäft in eine offene Handelsgesellschaft umgewandelt.

Am 6. Mai 1929 suchte die Firma Bassat im Ohligser Anzeiger nach Arbeiterinnen. Quelle: Stadtarchiv Solingen via zeitpunkt.nrw

Sehr bald spezialisierte Bassat sich vor allem auf die Fabrikation von Rasierklingen. In dem 1930 gegründeten Rasierklingen-Industrie-Verband war die Firma Albert & Heinrich Bassat Mitglied und nahm an dessen Versammlungen teil. Man inserierte in Fachzeitschriften wie „Messer und Schere“ und „Die Klinge“. Im September 1931 wurde die Geschäftstätigkeit der Firma durch die Gründung der „Transcontinentalen Export- und Importgesellschaft GmbH“ durch den Bruder Moise-Eliesêr Bassat unterstützt.

Inserat im Solinger Adressbuch von 1931. Quelle: Stadtarchiv Solingen

Spätestens seit Beginn 1930 lebten Enrique und Rosa Bassat an der Düsseldorfer Straße 40 in Ohligs. Besitzer des Hauses war die Kaufmannsfamilie Georg und Jenny Davids. Immer wieder waren Verwandte aus aller Welt für mehrere Wochen oder Monate unter der Adresse zu Besuch.

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im Jahre 1933 geriet die Firma Bassat aufgrund der strikten Devisenbewirtschaftung durch das „Dritte Reich“ in Schwierigkeiten. Zu einer Schließung des Betriebs kam es jedoch zunächst nicht. Allerdings war bereits im Juni 1933 die „Transcontinentale GmbH“ aufgelöst und Moise Bassat zu ihrem Liquidator bestellt worden. Komplett eingestellt wurde der Geschäftsbetrieb 1937.

Das Jahr 1934 war für Enrique Bassat ein Jahr schwerster persönlicher Schicksalsschläge. Am 15. März 1934 starb seine Frau Rosa infolge einer Infektion in den Städtischen Krankenanstalten. Nur wenig später starb am 19. Juli 1934 in Düsseldorf Enriques Bruder Moise. Auch er wurde auf dem Friedhof in Solingen bestattet.

Zwei Jahre später emigrierte Enrique Bassat zusammen mit seiner neuen Lebensgefährtin Emilie Münch geb. Heinemann, die selbst keine Jüdin war und die er daher in Deutschland nicht heiraten durfte, zunächst nach Paris, wo er an der Avenue de la République noch immer einen Wohnsitz unterhielt. Am 26. Juni 1939 erreichten die beiden per Schiff Rio de Janeiro, wo sie am 1. September 1939 heirateten. Von Rio zog das Paar nach Sao Paulo.

Die Firma in Ohligs existierte nach der Emigration von Enrique Bassat zunächst noch weiter. Am 23. April 1936 wurde den Angestellten Elfriede Funk und Erich Flemm Gesamtprokura erteilt. Am 10. Mai 1939 wurde die Gesellschaft aufgelöst und der Wuppertaler Rechtsanwalt Emanuel Heinemann, der Bruder von Emilie Münch, zum Liquidator bestellt. Im Dezember 1939 meldete der ehemalige Angestellte Erich Korten am Standort der Fabrik der Bassats an der Fürkerfeldstraße eine Rasierklingenfabrik an. Ein enger betrieblicher und geschäftlicher Zusammenhang ist anzunehmen.

Gewerbekarteikarte der Firma Albert & Heinrich Bassat oH. Es gab noch eine weitere Firma, die Enrique Bassat 1952 anmeldete. Quelle: Stadtarchiv Solingen

Im Dezember 1951 kehrten Enrique und Emilie Bassat über Zwischenaufenthalte in Barcelona und in anderen Städten nach Ohligs zurück. Seine Firma hatte Bassat bereits im August 1949 wieder beim Handelsgericht eintragen lassen. Im Oktober 1952 begann an der Fürkerfeldstraße 22 der Betrieb. Der Firma war jedoch in den Nachkriegsjahren kein Erfolg mehr beschieden, im Dezember 1955 wurde der Betrieb eingestellt, 1957 wurde sie aus dem Handelsregister ausgetragen.

Am 2. Juni 1958 starb Emilie Bassat in Haan. Enrique Bassat emigrierte im Februar 1960 nach Israel, wo er in Giv’atajim, einer kleinen Stadt östlich von Tel Aviv, lebte. Er starb am 22. März 1976.