Kölner Straße 49-51

aktuelle Aufnahme, Juli 2020, Foto: Daniela Tobias Kölner Str. 49-51, Allgemeine Ortskrankenkasse, Quelle: Stadtarchiv Solingen, PK 6873 (Trinks & Co, Leipzig)

Links: aktuelle Aufnahme, Juli 2020, Foto: Daniela Tobias
Rechts: Kölner Str. 49-51, Allgemeine Ortskrankenkasse, Quelle: Stadtarchiv Solingen, PK 6873 (Trinks & Co, Leipzig)

Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK)

Seit 1910 hatte die AOK ihre Geschäftsräume an der Oststraße 34/36 gehabt, was bis zur Einführung der Familienversicherung 1914 auch ausreichend war. Dadurch stieg die Mitgliederzahl jedoch sprunghaft auf das anderthalbfache mit über 15.000 Anspruchsberechtigten. Es dauerte mehrere Jahre, bis ein geeignetes Grundstück an der Kölner Straße gefunden war, das man gemeinsam mit dem → Spar- und Bauverein bebauen wollte.

Die enge Zusammenarbeit zwischen den politischen und sozialen Organisationen und den Wirtschaftsunternehmen der Solinger Arbeiterbewegung fand hier neben dem → Gewerkschaftshaus ihren städtebaulich sichtbaren Ausdruck. Spar- und Bauverein (SBV) und AOK schrieben einen Wettbewerb aus, den der Hausarchitekt des SBV, Franz Perlewitz, gewann. Im Preisrichterkollegium saßen unter anderem AOK-Verwaltungsdirektor Johann Fengels, Gewerkschaftssekretär Max Höffgen und Hermann Meyer, Geschäftsführer des Spar- und Bauvereins, SPD-Stadtverordneter, Landtagsabgeordneter sowie Vorstandsmitglied der AOK Solingen. Bereits ein Jahr nach der Grundsteinlegung konnte das Gebäude im Mai 1929 eingeweiht werden.

Lageplan mit Nachbargebäuden des SBV und Gewerkschaftshauses, Abbildung aus der Denkschrift zur Eröffnung. Quelle: Stadtarchiv Solingen, IV H-13

Die Baukosten lagen bei 947.949,15 Reichsmark. Im Vorfeld hatte es Diskussionen um einen „Prunkbau“ der Kasse gegeben, welche Direktor Fengels in der Denkschrift anlässlich der Eröffnung als unbegründet zurückwies: der Minister für Wohlfahrt habe die Beschwerden als ungerechtfertigt bezeichnet. Neben der Schalterhalle und Verwaltungsbüros befanden sich unter anderem Behandlungsräume des Vertrauensarztes und eine Zahnklinik in dem Neubau.

Durch die Weltwirtschaftskrise von 1929 geriet die Stellung der gesetzlich festgelegten Selbstverwaltung, die eine Zusammensetzung von Kassenvorständen aus einem Drittel Arbeitgeber und zwei Dritteln Arbeitnehmer vorsah, ins Wanken. Eine Notverordnung vom 5. Juni 1931 beseitigte deren Finanzhoheit. Die endgültige Zerschlagung der Selbstverwaltung erfolgte mit dem Gesetz über Ehrenämter in der sozialen Versicherung und der Reichsversorgung vom 18. Mai 1933. Für die Ortskrankenkassen von Solingen sowie Ohligs, Wald, Höhscheid und Gräfrath wurde Oberbürgermeister Dr. Helmut Otto vom Reichsarbeitsministerium als Kommissar eingesetzt.

Zu den Profiteuren der nationalsozialistischen Machtübernahme zählte auch Armin Ritter, der als „Alter Kämpfer“ bereits 1926 in die SA eingetreten war und 1933 als arbeitsloser Dreher eine Anstellung als Hausmeister bei der AOK fand. In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 gehörte er zu den vier Männern, die in der benachbarten Hohe Gasse den jüdischen Kommunisten → Max Leven überfielen. Armin Ritter zog schließlich eine Pistole und schoss den wehrlosen Mann in den Kopf. Der Mord wurde schnell von den untersuchenden Stellen als Notwehr deklariert. Erst nach dem Krieg wurde Ritter juristisch zur Verantwortung gezogen und zu drei Jahren Haft verurteilt.


Adressbuch 1925:
– Arbeitersekretariat
Adressbuch 1927:
– Arbeitersekretariat
– Zentralverband der Angestellten
– Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund
Adressbuch 1929:
– Allg. Ortskrankenkasse
– Johann Fengels, Verwaltungsdirektor der OKK
Adressbuch 1931:
– Allg. Ortskrankenkasse
– Johann Fengels, Verwaltungsdirektor der OKK
– Schulzahnklinik
Adressbuch 1938:
– Allg. Ortskrankenkasse
– Armin Ritter, Hausmeister
– Arthur Bolthausen, Stadtoberinspektor
– Zahnärztliches Institut
– Schulzahnklinik

Quellen:
– „Die Allgemeine Ortskrankenkasse in Solingen – Denkschrift anlässlich der Fertigstellung des neuen Verwaltungsgebäudes“, Essen 1930, Quelle: Stadtarchiv Solingen, IV H-13
– „Reformführer NRW, Soziale Bewegungen, Sozialreform und ihre Bauten“, Klaus Novy, Arno Mersmann, Bodo Hombach [Hrsg.], Köln 1991
„Ortskrankenkassen im Dritten Reich“, Marc von Miquel in Mitteilungsblatt des Instituts für soziale Bewegungen, Heft 38/ 2008, S. 61-74

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