Erster Stadtrundgang zur Familie Coppel

Von Simone Sassin, Fotos: Thomas Butz

Am 3. Dezember 2021 fand zum ersten Mal der Stadtrundgang zur Geschichte der Familie Coppel anlässlich des Festjahres #2021JLID – 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland statt. Die Spurensuche wurde von 16 interessierten Solingerinnen und Solingern dankbar angenommen. Immer wieder hörte man von den Teilnehmenden “Das wusste ich gar nicht” oder “Hier bin ich zum ersten Mal”. Als Ehrengast nahm der Maler Yossi Regev aus Solingens Partnerstadt Ness Ziona an der Führung teil. Der israelische Künstler stellt noch bis zum 19. Dezember 2021 seine Werke in der Galerie SK in den Güterhallen aus. Die Bildhauerin Varda Meidar, die aus persönlichen Gründen bereits früher als geplant abreisen musste, nahm virtuell über eine Videoschaltung an der Führung teil. Beiden wurde auf Englisch durch das Vereinsmitglied Miriam Braun vom Leben und Wirken der Coppels in Solingen berichtet.

Dietmar Gaida leitete die deutschsprachige Führung und begann mit der Gruppe eine interessante Zeitreise. Startpunkt war die Alexander-Coppel-Straße am Südpark. Ausgehend von der Gegenwart erläuterte Gaida die Schwierigkeiten, die zu überwinden waren, um der Familie Coppel den öffentlichen Raum zu bieten, den sie sich durch ihr herausragendes Engagement für die Solinger Bürger verdient hatte. Bis zur Namensgebung der Straße am Südpark vergingen Jahre.

Die heutige Firma Alcoso an der Malteserstraße führt nur den Namen fort.

Die Besucher tauchten gedanklich in das 18. Jahrhundert ein, als der erste Vorfahre der Familie, Coppel Samuel, sich in Solingen aus dem Frankfurter Raum kommend niederließ. Der Spaziergang führte am ehemaligen Wohnhaus der Coppels am Werwolf vorbei, wo ein Stolperstein für den Juristen Dr. Alexander Coppel liegt, und nahm seinen weiteren Verlauf zur Firma ALCOSO. Bewusst hat sich die Firma, die heute in deren Gebäude untergebracht ist, mit der Firmengeschichte auseinandergesetzt und weist auf ihrer Webseite auf das Schicksal der Familie hin, einschließlich ihrer späteren Enteignung aufgrund ihrer jüdischen Wurzeln.

Die Gruppe machte sich weiter auf den Weg zum Standort der ehemaligen Synagoge, wo heute noch der Bunker an der Malteserstraße steht. Die Familie Coppel hatte sich auch im religiösen Leben der Gemeinde stets engagiert, sowohl finanziell als auch ehrenamtlich im Synagogenvorstand. So erwarb Coppel Samuel zusammen mit dem wohlhabenden Schutzjuden David Michels (später Familie Michelson) das erste Bethaus am Südwall. Dessen Enkel Gustav Coppel sorgte durch großzügige Spenden für den Bau der Synagoge an der Malteserstraße. Er und später auch sein Sohn Dr. Alexander Coppel wirkten ebenfalls als Vorsteher der jüdischen Gemeinde.

Die Bronzeschilder am Bunker erinnern an die Opfer des Holocaust und an die Synagoge. Allerdings sind die Beschriftungen nur auf deutsch, was die zugeschaltete Varda Meidar bedauerte. Man sollte ihre Kritik aufnehmen und bei der Umgestaltung des Bunkers internationaler denken und Beschriftungen mehrsprachig gestalten.

Weiter ging es durch den Coppel-Park, heute noch eine grüne Oase für die Solinger, die wir ebenfalls der Familie Coppel zu verdanken haben, zum Coppel-Stift. Auch dessen Gebäude bezeugen das soziale Engagement der Famile Coppel für die Solinger Bevölkerung: So stiftete das Ehepaar Gustav Coppel anlässlich ihrer Goldhochzeit neunzigtausend Mark, was einem Sechstel des damaligen städtischen Haushalts entsprach, um eine Beratungs- und Erholungsstätte für Mütter und eine ärztliche Fürsorgestelle zu errichten.

Der Gustav-Coppel-Park grenzt an das Coppelstift, wo sich auch eine Ausstellung zur Familie Coppel und über die ehemalige jüdische Gemeinde Solingens findet.

Die nächste Station führte zur Alexander-Coppel-Gesamtschule an der Wupperstraße, wo der Künstler Yossi Regev bereits am Vormittag zwei Klassen besucht hatte. Drei Anläufe hatte es gebraucht, bis die Lehrerkonferenz einer Benennung der Schule nach Alexander Coppel zustimmte. So wurde die erste Gesamtschule Solingens im Jahr 2015 unter dem Beisein von Angehörigen der Familie Coppel in einem feierlichen Festakt umbenannt. Heute ist die Schulgemeinde stolz auf ihre Erinnerungskultur, die sich auch darin äußert, dass es seit 1988 die Arbeitsgemeinschaft „Jüdischer Friedhof“ gibt.

Vier Schülerinnen und Schüler dieser AG sowie ihre Leiterin Simone Sassin übernahmen ab hier die Gruppe und leitete sie über „Schleichwege“ zum Estherweg, wo sich der kleine geschlossene jüdische Friedhof befindet. Mit Feuereifer berichteten die jungen Schüler und Schülerinnen – sie besuchen die sechsten und siebten Jahrgänge der Alexander-Coppel-Gesamtschule – von ihren Arbeitsschwerpunkten. Das Motto der AG, dass sie den Mitmenschen mit Verständnis und Liebe begegnen möchte, verweist auch auf die Haltung „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“.

Der jüdische Friedhof am Estherweg und das Familiengrab von Gustav Coppel.

Am Schluss der Führung an den Gräbern der Familienangehörigen der Familie Coppel zu stehen, jener zu gedenken, die nicht bei ihren Liebsten beigesetzt werden konnten, weil sie verschleppt und ermordet wurden, sich an die Menschen zu erinnern, die in andere Länder geflohen sind, um zu überleben, verdeutlichte noch einmal, was wir durch die Gräueltaten der NS-Schergen verloren haben.

So waren alle Beteiligten nach einer zweieinhalbstündigen Tour vom kalten Wind durchgefroren und sich dennoch einig: Die Zeitreise in Gedenken an die Familie Coppel hat sich gelohnt.

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Das Projekt wurde durch den Verein „321–2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland e.V.“ mit Mitteln des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat gefördert.

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