Gedenken im November

Anfang November ist eine Zeit des Erinnerns und Gedenkens an sehr unterschiedliche Ereignisse in unserer Stadtgeschichte, die während der Zeit des Nationalsozialismus stattfanden und Leid und Tod brachten.

In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 brannte die Synagoge, der jüdische Friedhof wurde geschändet, Geschäfte und Privatwohnungen jüdischer Familien überfallen, jüdische Männer brutal geschlagen und Max Leven wurde in seinem Schlafzimmer vor den Augen seiner Frau Emmi erschossen. Wir gedenken den Opfern der Pogrome und der weiter folgenden Vertreibung und Vernichtung am Bunker an der Malteserstraße, wo bis Ende 1938 die Synagoge stand. Oberbürgermeister Tim Kurzbach und Leonid Goldberg von der Kultusgemeinde Wuppertal mahnten eindringlich dem grassierenden Antisemitismus Einhalt zu gebieten, der sich zunehmend gewalttätig äußere. Aufgeben und die Zustände als Normalität hinzunehmen sei keine Option. Für die jüdische Gemeinde sei es ein wichtiges Zeichen, dass die Stadt Solingen seit inzwischen vier Jahren zum Kippa-Tag aufrufe und damit Solidarität zeige. Tim Kurzbach betonte, dass mit dem Erwerb des Bunkers durch die Stadt Solingen nun auch die Möglichkeit gegeben sei, den Ort neu zu gestalten und dessen Geschichte wieder sichtbar zu machen. Rabbi Chaim Kornblum sang zum Abschluss die Totenklage für die in den Vernichtungslagern Europas ermordeten Jüdinnen und Juden.


Im Anschluss zogen die Teilnehmer:innen in einem Gedenkmarsch von der Malteserstraße zur Stadtkirche am Fronhof, wo die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen und der Jugendstadtrat zu einem Programm unter dem Titel „Gedenken und Verantwortung“ einluden. Superintendentin Ilka Werner betonte als Gastgeberin: „Das Gedenken an das Unrecht des 9. November 1938 und Verantwortung für Respekt, Freiheit, Demokratie und die Anerkennung der Einzigartigkeit aller Menschen gehören zusammen. Dass jeder Mensch Gottes Ebenbild ist, ist eine der Wurzeln des modernen Gedankens der Einzigartigkeit, der Würde jedes Menschen.“ Jakob Höroldt, Mitglied des Jugendstadtrats, beschrieb in seinem Beitrag, was ihn kürzlich bei seiner ersten Begegnung mit dem Holocaust-Mahnmal in Berlin bewegt hatte und dass auch heute die Gefahr, die von von Ausgrenzung, Rassismus und Hass ausgeht, nicht gebannt sei. Der Chor Voices der FALS rahmte das Programm musikalisch, während ein Kunstkurs des letzten Abiturjahrgangs des Humboldtgymnasiums die Ausstellung „Golden America“ zeigte. In acht Boxen wurde die Geschichte der Solingerin Bella Tabak szenisch dargestellt, die als siebenjährige die Pogromnacht und anschließend eine jahrelange Flucht quer durch Europa erlebt hatte.


An der Aktion „Ein Licht für Stolpersteine“ beteiligten sich in diesem Jahr am 9. November auch die Solinger Schulen in der Innenstadt mit Unterstützung der Bezirksvertretung Mitte, die den Klassen und Kursen Putzmaterial und Kerzen spendete.


Am Vortag, den 8. November 2021, wurde an der Potsdamer Straße eine Gedenktafel eingeweiht für die vier kanadischen und britischen Flieger, die hier am 5. November 1944 von einem Mob gelyncht wurden. Jack Lupinsky, Alan Gilchrist Samuel, Matthew Dorrell und Ernest Crossley hatten den Abschuss ihrer Maschine über Düsseldorf zwar überlebt, wurden aber beim Transport vom Polizeigefängnis Solingen nach Düsseldorf auf offener Straße überfallen und erschossen. Steve Owen als Vertreter des Veteranenverbands der Royal British Legion war ebenso anwesend wie der kanadische Vizekonsul Pierre Chalifour aus Düsseldorf und Angehörige der britischen und kanadischen Streitkräfte. Die Initiative für das Gedenken an dieses lange Zeit in Vergessenheit geratene Verbrechen ging vom „Solinger Appell“ und dem Historiker Stephan Stracke aus, die zum 75. Jahrestag vor zwei Jahren erstmals zu einer Veranstaltung einluden. OB Tim Kurzbach regte daraufhin die Gestaltung einer Gedenktafel an, die das Stadtarchiv, zuständig für die Bildungs- und Gedenkstätte Max-Leven-Zentrum Solingen, jetzt umsetzte. Tim Kurzbach gab der Hoffnung Ausdruck, dass aus dem Gedenken auch ein Handeln für mehr Menschlichkeit erwachse und schloss sich Steve Owen an, der den Philosophen George Santayana zitierte: „Those who fail to learn from history are doomed to repeat it.“

Superintendentin Ilka Werner betonte als Vertreterin des Arbeitskreises der Christlichen Kirchen, dass es wichtig sei, die Anteilnahme am Tod der einen nicht gegen das Gedenken an die anderen auszuspielen. Bis zu 1900 Solingerinnen und Solinger starben in den Bombenangriffen des 4. und 5. November 1944. Es gelte die bittere Gleichzeitigkeit von Unrecht und Leid nicht verschwinden zu lassen, denn Menschen seien immer mehr als der Teil einer großen Zahl.

Fotos: Daniela Tobias

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