Wohnung Auguste „Juscha“ Seilheimer
Auguste „Juscha“ Seilheimer (* 11.4.1893 Harburg) war nach dem plötzlichen Tode ihres Mannes Alfred im März 1923 mit zwei Kindern mittellos zurückgeblieben und deshalb von der Geschäftsleitung der → „Bergischen Arbeiterstimme“ (BASt) als Putzfrau eingestellt worden. Sie engagierte sich auch privat für die Parteiarbeit der → KPD.
Zusammen mit Änne Wagner transportierte sie 1923 die in Solingen gedruckte illegale kommunistische Zeitung „L’Humanité“ zwecks Verteilung unter den französischen Besatzungstruppen im Ruhrgebiet nach Düsseldorf und beherbergte im September 1923 von der Parteileitung nach Solingen entsandte Instrukteure. Seit dieser Zeit wurden bei den in ihrer Wohnung stattfindenden samstäglichen Schachabenden in kleinem Kreis Parteiprobleme diskutiert. Änne Wagner beschreibt den Charakter des Gesprächskreises: „Bei Juscha unterhielt man sich zwanglos über innerparteiliche Probleme, die in der Öffentlichkeit nicht bekannt und nicht diskutiert wurden. Was gab es Neues im Zentralkomitee der Partei? Was hatte man indirekt von den parteipolitischen Auseinandersetzungen in Moskau erfahren? Wie lange würde sich Trotzki noch halten?“
Im März 1925 wurde beispielsweise Ernst Thälmanns Besuch in Solingen von der Runde kontrovers diskutiert. In den folgenden Jahren nahmen an den „Samstagsrunden“ unter anderem die Kommunistin Malli Schaumann, der Buchhändler Oskar Deutschländer und die Redakteure Oskar Plenge, Max Rudert, Albert Nohl und Paul Reime teil, wobei Reime auch privat mit Juscha Seilheimer verbunden war. Zudem fanden Sitzungen der kommunistischen Frauengruppe in der Wohnung statt.
Seit Herbst 1926 avancierte Ernst Becker, der neue Chefredakteur der BASt und politische Leiter des KPD-Unterbezirks Solingen, zum intellektuellen Kopf der Runde. Nach der Spaltung von KPD und → KPO sowie dem Parteiausschluss und der Kündigung Beckers zum Jahreswechsel 1928/1929 veränderte sich der Gesprächskreis. Zwar wurde Juscha Seilheimer von der Solinger KPD-Führung schriftlich zur Distanzierung von der KPO gezwungen, trotzdem trafen sich in ihrer Wohnung auch weiterhin führende Anhänger der KPO.
Der Fortzug Beckers, der zu dieser Zeit mit Änne Wagner liiert war, im Mai 1930 nach Leipzig war jedoch gleichbedeutend mit dem Ende der Gesprächsrunden. Im „Dritten Reich“ wurde Juscha Seilheimer im Juni 1933 wegen der Beherbergung eines Redakteurs der Düsseldorfer „Freiheit“ verhaftet und bis Dezember in der ehemaligen Arbeitsanstalt Brauweiler gefangen gehalten. Laut Änne Wagner kehrte sie schwer krank aus der Haft zurück. Auguste Seilheimer starb im November 1951 in Solingen.
Armin Schulte / Daniela Tobias
Adressbuch 1925:
– Seilheimer, Alfr., Wwe.
Adressbuch 1927:
– Seilheimer, Alfr., Wwe.
Adressbuch 1929:
– Seilheimer, Alfr., Wwe.
Adressbuch 1931:
– Seilheimer, Alfr., Wwe.
Adressbuch 1936:
– Seilheimer, Alfr., Wwe.
Quelle:
– Änne Wagner: „Gegen den Strom? Lebenserinnerungen 1904–1945“, bearbeitet von Ralf Rogge, Solingen 2000