Links: aktuelle Aufnahme, Juli 2020, Foto: Daniela Tobias
Rechts: Blick vom Dreieck in die Kölner Straße. Das Haus Nr. 63 liegt jenseits der Einmündung zur Peter-Knecht-Straße auf der rechten Straßenseite. Quelle: Stadtarchiv Solingen, RS 613
Kommunistische Partei-Opposition (KPO)
Die 1928 auf Geheiß der Kommunistischen Internationale vollzogene Linkswendung der → KPD und die Konzentration auf den vermeintlichen Hauptfeind → Sozialdemokratie wurde nicht von allen Mitgliedern mitgetragen. Ebenso stieß die Politik der KPD zur Gründung einer „Revolutionären Gewerkschafts-Opposition“ (RGO) außerhalb der freien Gewerkschaften auf Widerstand. Die Kritiker der Parteilinie wurden aus der KPD ausgeschlossen. Um die beiden ehemaligen Parteiführer Heinrich Brandler und August Thalheimer konstituierte sich daraufhin Ende Dezember 1928 in Berlin die „Kommunistische Partei-Opposition“ (KPO), die gegen die Spaltung der Arbeiterbewegung und für eine sozialistische Einheitsfront eintrat. Organ der Partei war die Zeitung „Arbeiterpolitik“, die in Leipzig und später in Berlin erschien.
In Solingen wurde um die Jahreswende 1928/1929 die Gruppe um den Parteiführer und Chefredakteur der → Bergischen Arbeiterstimme (BASt), Ernst Becker, und den Gewerkschafter Walter Rautenbach aus der KPD ausgeschlossen. Die daraufhin gegründete Solinger Ortsgruppe der KPO fand zunächst an der Bergstraße eine Versammlungs- und Arbeitsstätte und gab das Informationsblatt „Gegen den Strom“ heraus. Neben Becker war der ehemalige Redakteur der Düsseldorfer „Freiheit“, Dagobert Lubinski, eine regionale Führungsfigur.
Im Herbst 1929 zählte die KPO laut der Zeitzeugin Änne Wagner knapp 200 Mitglieder. Einzig in Höhscheid war die Mehrheit der KPD-Stadtverordneten zur KPO übergetreten. Im Wahlkampf zur Kommunalwahl vom November 1929, an der die KPO mit eigener Liste teilnahm, wurde am 31. Oktober eine KPO-Wahlversammlung von der KPD überfallen. Die BASt titelte: „Schwere Abfuhr für die Renegaten.“ Die Wahl selbst erbrachte mit 1,9% der Wählerstimmen eine schwere Ernüchterung für die KPO. Einzig Anton Lüchem aus Höhscheid gelang der Einzug in die Stadtverordnetenversammlung. Innerhalb der Gewerkschaften behielt die KPO, die insgesamt nie über den Status einer Splittergruppe hinauskommen sollte, jedoch eine relative starke Position. Bei der Wahl zum Oberbürgermeister in Solingen stimmte die KPO im März 1930 für den Kandidaten der KPD, Hermann Weber.
Das „Büro“ der KPO wurde in der Folge in die Kölner Straße 63a verlegt, wo Arthur Kossack zusätzlich zu seiner Wohnung zwei Parterre-Räume anmieten konnte. Auf der ersten Unterbezirks-Konferenz der KPO im Solinger Gewerkschaftshaus wurden am 30. März 1930 Willi Rahm, Artur Kossack, Walter Rautenbach und Friedrich Schmitz in die Parteiführung gewählt, Ernst Becker nahm im Mai 1930 einen Ruf zur „Arbeiterpolitik“ in Leipzig an.
Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten setzte die KPO zwar auf die Aufrechterhaltung der Verbindungen unter ihren Mitgliedern, organisierte sich zum Schutz vor Verfolgung aber frühzeitig in Fünfergruppen. Bis Mitte 1933 gelang es der KPO, die zunächst abgebrochenen Kontakte zu anderen Ortsgruppen und zur illegalen Reichsleitung wiederzubeleben. Mittelpunkt ihrer Aktivitäten bildete die Information der Solinger Mitglieder mittels handschriftlicher Informationsschriften, die fotografisch vervielfältigt wurden.
Eine erste Verhaftungswelle im Jahre 1934 überstand die KPO zunächst noch. Im März 1937 konnte dank Anton Sliwinski und Ferdinand Weck noch ein letztes Informationsblatt herausgeben werden. Als Ende 1936 Dagobert Lubinski aufgrund der Aussagen eines festgenommenen KPD-Mitglieds verhaftet wurde, gelang es der Gestapo in der Folge, auch die Solinger KPO vollständig aufzurollen. Im Mai 1937 setzte eine Verhaftungswelle gegen die KPO ein, Josef Becker wurde in Düsseldorf zu Tode gefoltert. Im Februar 1938 wurden weitere Mitglieder verhaftet, zu denen auch Änne Wagner gehörte. Ab April 1938 wurden die Mitglieder der KPO in mehreren Prozessen zu teils hohen Haftstrafen verurteil. Dagobert Lubinski wurde aufgrund seiner jüdischen Abstammung im Februar 1943 nach Auschwitz deportiert und dort umgebracht.
Armin Schulte / Daniela Tobias
Adressbuch 1931:
– Artur Koßack, Schmied (KPO-Büro)
Quellen:
– Änne Wagner: Gegen den Strom? Lebenserinnerungen 1904 – 1945, bearbeitet von Ralf Rogge, Solingen 2000
– Volker Wünderich: Arbeiterbewegung und Selbstverwaltung. KPD und Kommunalpolitik in der Weimarer Republik. Mit dem Beispiel Solingen, Wuppertal 1980
– Armin Schulte: „Man soll mich nur nicht vergessen!“ Stolpersteine in Solingen. Schicksale 1933-1945, Solingen 2000: Schicksale von Josef Becker, Paul Happe, Friedrich Schmitz