Seit dem Wochenende informiert eine Popup-Ausstellung in den Schaufenstern des ehemaligen Wohn- und Geschäftshauses der Familie Davids an der Düsseldorfer Straße 40 über die Geschichte der jüdischen Kaufleute in Ohligs.
Bereits am Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar hatten der Verein Max-Leven-Zentrum Solingen e. V. und das Stadtarchiv Solingen mit dem Vortrag „Von Ohligs nach Auschwitz“ an den NS-Terror gegen die Händler*innen im Stadtteil erinnert. Aufgrund der vielen Nachfragen entwickelten die Designerin Daniela Tobias und der Historiker Armin Schulte aus dem Vortrag nun eine Ausstellung. Die Immobilien- und Standortgemeinschaft (ISG) Solingen-Ohligs konnte dafür das zur Zeit leer stehende Ladengeschäft vermitteln, das 1907 von den jüdischen Geschäftsinhabern Georg und Jenny Davids an der Ecke zur Forststraße erbaut wurde. Gloria Göllmann, Geschäftsführerin der ISG, sieht im Erinnern eine Verantwortung und eine Geste der Menschlichkeit: „Die Händler damals setzten sich genauso leidenschaftlich für die Entwicklung ihres Stadtteils ein wie wir heute. Auch wir sehen uns in einer Art Gründerzeit. Dieses Quartier im 21. Jahrhundert menschlich, sozial und nachhaltig zu gestalten, setzt auch das nötige Geschichtsbewusstsein voraus.“
„Familien wie die Davids, Steegs und Steinbergers kamen um die letzte Jahrhundertwende nach Ohligs und wurden zu erfolgreichen Geschäftsleuten“, erinnert Oberbürgermeister Tim Kurzbach und betont: „Sie engagierten sich nicht nur in ihrer Synagogengemeinde, sondern übernahmen auch im Gewerbeverein, in der IHK oder in Parteien Verantwortung.“ Es sei „unvorstellbar, dass diese Menschen aus unserer Mitte vertrieben und ermordet wurden“. Auch deshalb sei die Ausstellung ein wichtiger Beitrag zum aktuellen Jubiläumsjahr 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland: „Wir sehen in Ohligs, wie schleichend eine gut funktionierende Nachbarschaft vergiftet wird, wenn dem Antisemitismus nicht frühzeitig und mit allem Nachdruck Einhalt geboten wird.“
Die Ausstellungsmacher Daniela Tobias und Armin Schulte bestätigen, dass die jüdischen Kaufleute an der Düsseldorfer Straße seit Beginn des 20. Jahrhunderts fester Bestandteil des aufstrebenden Ohligser Zentrums waren. Manufakturwaren, Weißwaren, Spielwaren, Herren- und Damenmode sowie Stahlwaren gehörten zu ihrem Sortiment. „Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurden sie am 1. April 1933 mit dem Boykott jüdischer Geschäfte sehr schnell zum Ziel der antisemitischen NS-Propaganda. Einige trafen rechtzeitig Vorkehrungen, Deutschland zu verlassen, andere flohen nach der Pogromnacht 1938 mit ihrer letzten Habe.“ Für manche aber war es schließlich zu spät. Sie wurden in den Osten deportiert und ermordet – wie Jenny und Georg Davids.
Ralf Rogge, Leiter des Stadtarchivs Solingen und der entstehenden Bildungs- und Gedenkstätte Max-Leven-Zentrum, freut sich, dass die Ohligser Ausstellung das Gedenken an die jüdischen Geschäftsleute und Industriellen in der Stadtgesellschaft wachhalten möchte: „Mit der Präsentation im öffentlichen Raum schaffen wir ein weiteres Angebot neben der Internetseite des Max-Leven-Zentrums, das auch in Corona-Zeiten einen einfachen Zugang zur lokalen Geschichte ermöglicht.“ Die Schicksale der Familien werden durch historische Postkarten und Annoncen, die über die Jahre im Ohligser Anzeiger erschienen, illustriert. Ergänzend zu den chronologischen Portraits der Familien vermittelt ein Banner mit Zeugenaussagen zur Pogromnacht in Ohligs den endgültigen Wendepunkt für die jüdischen Geschäftsleute. Nach dem brutalen Überfall auf ihre Läden und Wohnungen wurden auch die letzten Inhaber gezwungen, ihre Geschäfte aufzugeben.
Die Ausstellung wird voraussichtlich bis Ende März 2021 zu sehen sein.