Stolpersteinverlegung am 24. Januar 2025

Am 24. Januar 2025 hat der Künstler Gunter Demnig in Solingen fünf neue Stolpersteine für Opfer des Nationalsozialismus verlegen.

Wilhelm Wieden, Hasencleverstraße 13

Wilhelm Wieden, Ausschnitt Konfirmationsfoto vom 28.03.1926, Quelle: Archiv des Verschönerungsvereins Burg/Wupper

In Anwesenheit von MdB Jürgen Hardt, Bürgermeister Carsten Voigt, der seinen Wohnsitz in Burg hat, und zahlreichen Anwohner*innen wurde erstmals ein Stolperstein in diesem Stadtteil verlegt. Armin Schulte trug die Biografie von Wilhelm Wieden vor. Jürgen Hardt dankte Gunter Demnig für sein Erinnerungs-Projekt, das er seit seiner Studienzeit in Köln kenne und verfolge. Im Nachgang fand Elke Hein-Krenzel noch ein Konfirmationsfoto von Wilhelm Wieden, das sich im Archiv des Verschönerungsvereins von Burg/Wupper befunden hatte.

Am 5. Oktober 1933 wurde in Burg eine anlässlich des Erntedankfestes gehisste fünf Meter lange Hakenkreuzflagge als sichtbares Zeichen des Protestes von Unbekannten abgerissen und beschädigt. Polizei und Presse vermuteten die Täter in kommunistischen Kreisen. Der zuständige Landrat ordnet an, zehn Kommunisten zu verhaften und dem KZ Kemna zuzuführen. Nach Angaben des Vaters von Wilhelm Wieden schlugen der NSDAP-Ortsgruppenführer und der SA-Führer schließlich drei Personen zur Verhaftung vor. Darunter war Wilhelm Wieden, dessen Bruder Alfred sich bereits Anfang 1933 für fünf Monate in „Schutzhaft“ befunden hatte.

Wilhelm Wieden wurde vermutlich zunächst in das Konzentrationslager Kemna in Wuppertal verschleppt und wenig später ins Emsland verlegt, wo insbesondere politische Gegner der Nationalsozialisten festgehalten, misshandelt und zu schwerer körperlicher Arbeit im Moor gezwungen wurden. Am 19. Oktober 1933 wurde der 22jährige auf dem Weg vom Bahnhof zum Lager Neusustrum erschossen. Sein Tod war das Resultat eines makabren Spiels. Zur Einschüchterung der KZ-Häftlinge ließen die Wachen jeweils einen oder mehrere Häftlinge als sogenannte „Hasen“ neben dem Zug herlaufen und feuerten auf diese. Die Wahl fiel auf Wilhelm Wieden. Der tödliche Schuss traf ihn aus nächster Nähe, als er aufgrund der Anstrengung zusammengebrochen war und sich gerade wieder aufgerichtet hatte. Wenige Stunden später erlag er seinen Verletzungen. Die NS-Behörden teilten der Familie mit, ihr Sohn sei „auf der Flucht“ erschossen worden. Damit wurde ein Leben ausgelöscht, das kaum erst begonnen hatte. Ohne Anklage, ohne fairen Prozess, in einem perfiden Spiel, das sich Menschen in ihrer Funktion als Wachen ausgedacht hatten. Mit diesem Stolperstein gedenken wir diesem jungen Menschen, sinnlos getötet von einer menschenverachtenden Diktatur. (Armin Schulte, Stadtarchiv/Max-Leven-Zentrum)


Lina Jordan, geb. Wurth, Baumstraße 3a

Der Stolperstein für das „Euthanasie“-Opfer Lina Jordan wurde im Beisein von Angehörigen, von MdL Josef Neumann und Schüler*innen eines Geschichtsgrundkurses Q1 der Alexander-Coppel-Gesamtschule unter Leitung von Bernd Teepe verlegt. Die Jugendlichen und Armin Schulte verlasen die Biografie und allgemeine Informationen zu den Solinger Opfern von NS-„Euthanasie“-Verbrechen während die Angehörigen erzählten, wie schwierig es für die Familie war, sich dem Schicksal der unbekannten Großtante zu nähern, die man nur aus Erzählungen kannte. Josef Neumann betonte, dass es auch beim Land NRW beschämend lange gedauert habe, bis man sich mit der Verantwortung der eigenen Institutionen auseinandergesetzt habe.

Das Schicksal von Lina Jordan, geborene Wurth war kein Einzelfall, und wir haben neben ihrem Schicksal noch viele weitere, die ihren verhängnisvollen Verlauf in der Heil- und Pflegeanstalt Galkhausen – heute LVR-Klinikum Langenfeld – nahmen und zum gewaltsamen Tod dieser Menschen im Rahmen der „Euthanasie“ führten. In den letzten Jahren haben sich die Stadt Solingen und das Stadtarchiv intensiv mit den NS-Medizinverbrechen, mit den Zwangssterilisierungen und der „Euthanasie“, befasst. Wir haben hier und in anderen Archiven Akten ausgewertet und mit den entsprechenden Erinnerungsorten und Gedenkstätten korrespondiert. Wir können heute die Mehrzahl der Opfer namentlich benennen. Vor Beginn dieser Arbeiten gab es fünf bekannte „Euthanasie“-Opfer in Solingen, heute kennen wir mehr als 120 Einzelschicksale.

Was uns besonders wichtig war, war die Einzelschicksale aus dem Dunkeln des Vergessens herauszuholen und das Leben, das Leiden und den Tod dieser Menschen wieder sichtbar zu machen, an sie zu erinnern. Wir wurden hierbei auch immer wieder von den Angehörigen unterstützt und ermutigt. Im Stolpersteinbuch finden Sie die Lebensläufe von 13 dieser Menschen.

Wer sich mit Lina Jordan befasst, lernt einen sehr sensiblen und später dann schwer kranken Menschen kennen. Die erhaltenen Akten im Bundesarchiv in Berlin zeichnen das Bild einer immer schwerwiegenderen Erkrankung und sie bestätigen einen Verdacht: Im Rahmen der „Euthanasie“-Morde der Aktion T4 wurden dort die besonders unbequemen Patient:innen zur späteren Tötung ausgesucht.

Lina Jordan kam am 24. Februar 1897 als Lina Wurth in Solingen zur Welt. Sie arbeitete als Packerin bei der Firma Felix. Um 1930 erkrankte sie psychisch schwer und wurde im Januar 1931 in die Provinzial- Heil- und Pflegeanstalt Galkhausen eingewiesen. Nach der Scheidung ihrer Ehe und erneuten Aufnahmen in der Anstalt [1932 und 1936] wurde bei ihr als Krankheit Schizophrenie diagnostiziert. Von 1936 bis 1938 befand sie sich in „Familienpflege“ im Marienstift am Solinger Kannenhof. Lina Jordan wurde am 2. Mai 1941 zusammen mit 89 weiteren Menschen von Galkhausen in die Tötungsanstalt Hadamar verbracht, wo die Menschen in der Regel sofort nach Ankunft in den Gaskammern umgebracht wurden. Bei dem in der Sterbeurkunde angegebenen Todesort Pirna-Sonnenstein und dem Todesdatum 23. Mai 1941 handelt es sich um eine bewusste Verschleierung ihres Schicksals durch die Täter. (Armin Schulte, Stadtarchiv/Max-Leven-Zentrum)


Paul Claasen, Weinsbergtalstraße 33

An Paul Claasen erinnerten vor dem Wohnhaus der SBV-Siedlung Weeger Hof die Mitglieder der VVN/BdA.

Paul Claasen, 1891 geboren, war Mitbegründer des ersten Arbeiterschwimmvereins in Solingen und trat 1919 in die neu gegründete KPD ein. Er kämpfte 1920 während des Kapp-Putsches gegen die Reichswehr und die konterrevolutionären Freikorps, die die Weimarer Republik zu Fall bringen wollten. Nach dem Reichstagsbrand organisierte Claasen zusammen mit anderen KPD-Funktionären den Wiederaufbau illegaler Gewerkschaftsgruppen im Raum Wuppertal. Am 16. Mai 1935 wurde er durch die Gestapo verhaftet. Im Februar 1936 verurteilte ihn der Volksgerichtshof wegen Hochverrats zu zehn Jahren Zuchthaus. 1943 überstellte man ihn ins österreichische KZ Mauthausen. In seinen Begleitpapieren stand RU, das heißt: Rückkehr unerwünscht. Paul Claasen überlebte durch die Hilfe eines tschechischen Arztes, der ihn als Hilfssanitäter einsetzte.


Betty Pallas, geb. Martin, Roonstraße 14

Auch an Betty Pallas erinnerte mit Inge Krämer eine alte Weggefährtin von der VVN/BdA. Sie betonte besonders deren Einsatz für den Frieden, der sie bis ins hohe Alter auf die Straße trieb.

Bertha „Betty“ Pallas, 1910 in Solingen geboren, musste schon mit 14 Jahren zur Unterstützung der Familie in einer Fabrik arbeiten. 1926 trat sie in den Deutschen Metallarbeiter-Verband ein und wehrte zusammen mit anderen Frauen durch einen Streik eine Gehaltskürzung ab. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten verteilte sie Flugblätter gegen das Regime und sammelte Geld für Familien bereits verhafteter Widerständler. Sie wurde 1934 zu anderthalb Jahren Gefängnis wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ verurteilt. Nach Kriegsende trat Betty Pallas der KPD bei und wurde von der englischen Besatzungsmacht 1946 in das Solinger Stadtparlament und in den Landtag von NRW berufen. 1952 bis 1954 war sie gewähltes Mitglied des Landtags. Zusammen mit Sozialdemokratinnen und christlichen Frauen engagierte sie sich gegen die Atombewaffnung der Bundesrepublik.


Georg Haberer, Fürker Straße 30

Georg Haberer wurde als Sohn deutscher Eltern 1903 in Schaffhausen in der Schweiz geboren. Nach abenteuerlichen Wanderjahren, die ihn nach Frankreich und Amerika führten, und einer Verpflichtung als französischer Fremdenlegionär ließ er sich Ende der 1920er Jahre in Ohligs nieder. Er gründete dort an der Fürker Straße 30 eine Druckerei. 1934 wurde er zu einem der reichsweit wichtigsten Auftragsdrucker der nun illegalen kommunistischen Partei und stellte massenweise Flugblätter und Zeitungen her. Im November 1934 flüchtete er nach Saarbrücken und später nach Amsterdam. Bei seiner Wiedereinreise nach Deutschland wurde er im Juli 1935 festgenommen und im Februar 1936 vom Volksgerichtshof zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Bei Kriegsende wurde er von der Roten Armee aus dem Zuchthaus Brandenburg-Görden befreit. Er lebte bis zu seinem Tod 1978 in Solingen.

An der Verlegung nahm auch der Schüler Luca Nippert von der benachbarten Carl-Ruß-Schule teil, der im Rahmen einer Projektwoche und darüber hinaus zusammen mit seinen Lehrer*innen Gudrun Walden, Lena Felder und Klaus Dörken zu seiner Biographie recherchiert hat. Die Schule übernahm die Patenschaft.

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