Da die Ausstellung „… und laut zu sagen: Nein.“ pandemiebedingt nicht wie geplant im Mai 2020 eröffnet werden konnte, wurden bis Mai 2021 jede Woche Teile daraus unter dem Hashtag #closedbutopen vorgestellt.
Deportationen waren ein bürokratischer Akt. An der Spitze der Deportationsbürokratie stand der gebürtige Solinger Adolf Eichmann, SS‑Obersturmbannführer im Judenreferat des Reichssicherheitshauptamtes. Hannah Arendt hat auf Eichmann bezogen von der „Banalität des Bösen“ gesprochen.
Die Deportationen begannen im November 1941, nachdem durch den Überfall auf die Sowjetunion eine Auswanderung nahezu unmöglich geworden war. Sie wurden regierungsbezirksweise organisiert. Im Vorfeld waren am 19. September 1941 die Pflicht zum Tragen des Davidsterns und am 1. Oktober das Auswanderungsverbot in Kraft getreten.
Die Fahrtkosten hatten die Deportierten bzw. die verbliebenen jüdischen „Gemeinden“ – die in Solingen „Büro Solingen der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland“ hieß – selbst zu tragen. Das mitzunehmende Gepäck durfte anfangs 50 kg, ab 1942 25 kg wiegen. Vermögen, das im Reichsgebiet zurückblieb, verfiel dem Reich. Möbel und andere Gegenstände wurden versteigert, Sparguthaben verfielen der Reichskasse.
Die größeren Deportationen
28. Oktober 1938: 17.000 polnische Staatsbürger jüdischer Herkunft wurden in der sogenannten „Polenaktion“ ins deutsch-polnische Grenzgebiet abgeschoben, darunter Abraham Rosenbaum aus Ohligs und das Ehepaar Wolkenfeld aus Solingen.
26./27. Oktober 1941: 17 Solinger Juden wurden über Düsseldorf in das Getto Litzmannstadt (Lodz) deportiert. Keine Überlebenden. Drei von ihnen starben im Getto, die anderen wurden im Mai und September 1942 sowie im Juni 1944 in Kulmhof (Chelmno) ermordet. Weitere Solinger, die ihre Heimatstadt schon früher verlassen hatten, wurden ebenfalls im Herbst 1941 aus anderen Städten nach Lodz oder Riga deportiert.
20/21. Juli 1942: Sechs Solinger Juden, unter ihnen Dr. Alexander Coppel, wurden aus Solingen über Düsseldorf in das Getto Theresienstadt deportiert, dazu weitere zehn Solinger Juden, die inzwischen im jüdischen Altersheim in Wuppertal-Elberfeld wohnten. Nur Wilma Selig, geborene Leven, überlebte den Krieg.
„Liebe Else, sei also vernünftig und denke an deine labilen Nerven, es hat ja keinen Zweck, sich zu sehr aufzuregen. Das Unvermeidliche mit Würde tragen, ist das Einzige, was wir noch können; wenn wir Glück haben, ertragen wir es wie unsere Brüder auch.“
Letzter Brief von Jenny Giesenow vor der Deportation an ihre Tochter Else
Links: Jenny Giesenow betrieb mit ihrem Mann Georg ein Kurzwarengeschäft am Ufergarten. Die beiden wurden im Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert. Quelle: Stadtarchiv Solingen; Mitte: Auch Dr. Alexander Coppel wurde im Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert. Er überlebte nur zwei Wochen. Quelle: Stadtarchiv Solingen, RS 20007; Rechts: Sterbeurkunde Dr. Alexander „Gideon“ Coppel, Theresienstadt, Quelle: Nationalarchiv Prag, Institut Theresienstädter Initiative, CC BY-NC 3.0
17. September 1944: Sieben Solinger Jüdinnen und Juden, die in „Mischehe“ lebten, wurden auf Umwegen nach Theresienstadt deportiert. Else Güldenring, geborene Carsch, war vorher untergetaucht. Martha Hoffmann, geborene Berg, gelang unterwegs die Flucht. Von denen, die nach Theresienstadt deportiert wurden, überlebten alle.
Quelle:
– Stadtarchiv Solingen: B 809, RS 20007 und Foto Jenny Giesenow
– Solinger Geschichtswerkstatt – Manfred Krause (Hg.): „…dass ich die Stätte des Glückes vor meinem Tode verlassen müsste“ – Beiträge zur Geschichte jüdischen Lebens in Solingen. Solingen 2000
– Horst Sassin: „Aus der Stahlwahrenstadt Solingen ins Gett von Lodz deportiert“, in: Angela Genger/Hildegard Jakobs (Hg.): Düsseldorf / Getto Litzmannstadt, Essen 2010, S. 337-343
– Armin Schulte: „Man soll mich nicht vergessen!“ Stolpersteine in Solingen, Schicksale 1933-1945, Solingen 2020
– Staatsarchiv Lodz: APL PSZ 2318 (L-20932 II) Bl. 1443 und 1444
– Nationalarchiv Prag, Institut Theresienstädter Initiative: Sterbeurkunde Dr. Alexander „Gideon“ Coppel, CC BY-NC 3.0
Die empirische und konzeptionelle Grundlagenarbeit zur Ausstellung durch Dr. Stephan Stracke wurde mit Mitteln der Landeszentrale für politische Bildung NRW gefördert.