Da die Ausstellung „… und laut zu sagen: Nein.“ pandemiebedingt nicht wie geplant im Mai 2020 eröffnet werden konnte, wurden bis Mai 2021 jede Woche Teile daraus unter dem Hashtag #closedbutopen vorgestellt.
Bei der nicht mehr freien Reichstagswahl am 5. März 1933 überholte die NSDAP die KPD in Solingen erstmals mit 39,3 % der Stimmen.
Schon am 3. April 1933 formulierte der Kreisleiter und spätere Oberbürgermeister Dr. Helmuth Otto programmatisch: „Ich habe schon in vielen Versammlungen gesagt, hier gibt es keine Kommunisten. […] Unsere fleißigen, hochintelligenten, bergischen Arbeiter sind noch niemals Kommunisten gewesen. Es sind verzweifelte Menschen, verzweifelt durch die Not, welche die Systemzeit über sie gebracht hat. Wir werden sie auf unsere Seite zu ziehen wissen […].“
Nach dem Reichstagsbrand hatte sich die Verfolgung der politischen Gegner auf verschiedenen Ebenen bereits intensiviert. Missliebige Beamte und Angestellte wurden aus den öffentlichen Diensten, den Krankenkassen, dem Arbeitsamt und dem Spar- und Bauverein entlassen und deren Stellen mit eigenen Parteigenossen besetzt. Die lokale NS-Führung agierte relativ flexibel nach dem Zuckerbrot-und-Peitsche-Prinzip. Während die bekannten Funktionäre der Arbeiterparteien inhaftiert waren, wurde ein Teil der starken Arbeitersport- und Kulturorganisationen „nur“ gleichgeschaltet.
Andere, politisiertere Arbeitervereine wurden aufgelöst, ihre Kassen beschlagnahmt. Die selbstgebauten Freibäder, Sportanlagen und Naturfreundehäuser wurden entschädigungslos enteignet und von NS-Organisationen übernommen. Die einfachen Mitglieder durften sich aber bürgerlichen Vereinen anschließen.
Die lokale „Nationale Revolution“ fand unter den Bedingungen der anhaltenden Wirtschaftskrise und hohen Arbeitslosigkeit statt. Da die örtliche Wirtschaft bis mindestens Anfang 1937 darniederlag, operierte die lokale NS-Führung vor allem mit städtischen Notstandsarbeiten, darunter Straßenbauarbeiten, Rohrverlegungen und Waldarbeiten. So wurden in dieser Zeit Umgehungsstraßen für Gräfrath und Verbindungsstraßen zwischen den Stadtteilen realisiert.
Der sozialdemokratisch dominierte ADGB hoffte auch in Solingen, dass seine Gewerkschaften vom NS-Regime verschont bleiben würden, und bot seine Mitarbeit an. So hatte der ADGB gemeinsam mit der NS‑Gewerkschaft NSBO zur 1. Mai-Feier eingeladen. Am 2. Mai 1933, an dem reichsweit die Gewerkschaftshäuser besetzt und Gewerkschafter verhaftet wurden, wandte sich der Sozialdemokrat Max Richter als Vorsitzender des örtlichen ADGB gemeinsam mit Heinz Auelmann, dem Anführer des Solinger NSBO, an die Mitglieder der Freien Gewerkschaften: „In welcher Form […] die deutschen Gewerkschaften aufgebaut werden, steht zwar im einzelnen noch nicht fest, fest steht jedoch, dass mit der Durchführung der Gleichschaltung auch der Gedanke der Einheitsgewerkschaft verwirklicht werden wird.“ Die Anbiederung nützte nichts. Die Freien Gewerkschaften konnten in Solingen ohne jeglichen Widerstand aufgelöst und ihre Mitglieder in die Deutsche Arbeitsfront überführt werden.
Vier Jahre später, als auch die Solinger Wirtschaft von der Aufrüstung profitierte, triumphierte der Nationalsozialist Dr. Otto: „Die Erwerbslosigkeit ist praktisch behoben, denn heute ist in Solingen kein gelernter Arbeiter, kein Handwerker, keine Stenotypistin, keine Hausangestellte mehr beschäftigungslos. […] Gleichlaufend mit dem Aufschwung unserer Wirtschaft ging die Gesundung des politischen Lebens. Die rote Hochburg gehört der Vergangenheit an: Bei der letzten Wahl sprach die vom Marxismus befreite Bevölkerung mit 99 v. H. aller abgegebenen Stimmen dem Führer den überwältigendsten Vertrauensbeweis aus.“
Ottos Angabe von 99 % Zustimmung der Bevölkerung bei der Wahl und Volksabstimmung vom 29. März 1936 war eine reine Propagandazahl. Die realen Stimmergebnisse wurden geheim gehalten. Aus bekannt gewordenen Beispielen kann geschlossen werden, dass die tatsächliche Zustimmung etwa in der Höhe der Abstimmung über die Zusammenlegung von Reichskanzlerschaft und Reichspräsidentenamt von gut 80 % lag. Als Ja-Stimmen wurden zum Beispiel nicht ausgefüllte Stimmzettel, also Enthaltungen, gewertet.
Auch im äußeren Erscheinungsbild und in der Inszenierung der Stadt Solingen setzten die NS-Machthaber Zeichen. Die ersten Straßenumbenennungen wurden bereits im April 1933 beschlossen, das erweiterte gemeinsame Stadtwappen im Juli 1935 vorgestellt, das Gesetz zum Schutz des Namens „Solingen“ im Juli 1938 von Adolf Hitler unterzeichnet. Die städtebaulichen Pläne für ein Quartier mit Neubau von Rathaus und Theater kamen jedoch nicht mehr zum Tragen.
„Durch die Städtevereinigung ergab sich daher die Notwendigkeit, für die neue Großstadt Solingen ein Stadtwappen zu schaffen. […] Der aus der Zeit der Wappendekadenz stammende ausgebuchtete, mit einer Einfassung versehene Schild wurde durch einen einfachen gotischen Schild ersetzt. Der überladende Anker, das Attribut des Heiligen Clemens, Schutzpatron von Solingen, machte einem gotischen Anker Platz; anstelle der römischen Kurzschwerter traten deutliche gotische Breitschwerter, wie sie im Mittelalter in Solingen hergestellt wurden. Bewußt überwiegen in dem neuen Stadtwappen die deutschen Schwerter, auf die Schwertschmiedekunst hinweisend, die den Namen Solingen in alle Welt getragen hat.“
Vier Jahre nationalsozialistische Kommunalpolitik 1933 –1937, Quelle: Stadtarchiv Solingen, SG 2372
Quellen:
– Stadtarchiv Solingen: Foto Erster-Mai-Umzug, RS 27924, Verwaltungsbericht ’Vier Jahre nationalsozialistische Kommunalpolitik 1933-1937’, SG 2372, erweitertes Stadtwappen und Neubaumodell Rathaus/Theater, RS 27942
– Stadtarchiv Solingen: Portrait Dr. Helmuth Otto im Solinger Tageblatt vom 4.4.1933, siehe auch https://zeitpunkt.nrw/ulbbn/periodical/zoom/8264286; Notiz Beschlagnahme Naturfreundeheim Pfaffenberg im Solinger Tageblatt vom 12.4.1933, siehe auch https://zeitpunkt.nrw/ulbbn/periodical/zoom/8264395
– Stadtarchiv Solingen: „Dokumentation – Nationalsozialistische Herrschaft in Solingen“, Solingen 1978
Die empirische und konzeptionelle Grundlagenarbeit zur Ausstellung durch Dr. Stephan Stracke wurde mit Mitteln der Landeszentrale für politische Bildung NRW gefördert.